Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Dolly so aufgebracht.«
    »Wo hat sie sich ertränkt?«
    »Im Fluss. Gerade unterhalb der Mühle ist er ziemlich reißend. Dort ist ein Fußpfad, und es führt eine Brücke über den Fluss. Man nimmt an, dass sie sich von dieser Brücke ins Wasser gestürzt hat. Herrje, man darf gar nicht daran denken!«
    Mit gewichtigem Rascheln schlug Colonel Bantry seine Zeitung auf und machte sich daran, seine Gedanken von dieser schmerzlichen Angelegenheit abzulenken, indem er sich in die neuesten Ungerechtigkeiten der Regierung vertiefte.
    Sir Henry war nur oberflächlich an der Dorftragödie interessiert. Nach dem Frühstück streckte er sich behaglich in einem bequemen Stuhl auf dem Rasen aus, schob sich den Hut über die Augen und betrachtete das Leben von einem geruhsamen Standpunkt.
    Es war ungefähr halb zwölf, als ein adrettes Zimmermädchen über den Rasen trippelte.
    »Entschuldigen Sie bitte, Sir, Miss Marple ist hier und möchte Sie gern einmal sprechen.«
    »Miss Marple?«
    Sir Henry richtete sich auf und schob seinen Hut zurück. Er war überrascht. Er konnte sich noch sehr gut an Miss Marple erinnern – an ihr sanftes, ruhiges, altjüngferliches Wesen, an ihren erstaunlichen Scharfsinn. Es fielen ihm mindestens ein Dutzend »ungeklärter Fälle« ein – und wie diese typische alte Dorfjungfer jedes Mal unfehlbar die richtige Lösung des Rätsels gefunden hatte. Sir Henry empfand eine große Achtung vor Miss Marple, und er war neugierig zu erfahren, was sie jetzt wohl zu ihm führen mochte.
    Miss Marple saß im Salon, kerzengerade wie immer, einen lustig bunten Marktkorb ausländischer Herkunft neben sich. Ihre Wangen waren ziemlich gerötet, und sie schien in großer Aufregung zu sein.
    »Sir Henry – ich bin so froh! So ein Glück, Sie anzutreffen. Ich hörte ganz zufällig von Ihrer Anwesenheit hier… ich hoffe, Sie werden mir verzeihen…«
    »Es ist mir ein großes Vergnügen«, sagte Sir Henry und schüttelte ihr die Hand. »Ich fürchte aber, Mrs Bantry ist nicht zuhause.«
    »Ja«, erwiderte Miss Marple. »Ich sah sie im Gespräch mit Footit, dem Metzger, als ich vorbeikam. Henry Footit ist gestern überfahren worden – das war sein Hund. Einer von diesen glatthaarigen Foxterriern, ziemlich korpulent und zanksüchtig, die die Metzger zu bevorzugen scheinen.«
    »Ja«, stimmte Sir Henry ihr zu.
    »Ich bin ganz froh, dass Mrs Bantry gerade nicht zuhause ist«, fuhr Miss Marple fort. »Denn ich wollte in erster Linie mit Ihnen sprechen. Über diese traurige Angelegenheit.«
    »Henry Footit?«, fragte Sir Henry leicht verwirrt.
    »Nein, nein. Rose Emmott, natürlich. Sie haben doch davon gehört?«
    Sir Henry nickte.
    »Bantry hat es mir erzählt. Sehr traurig.«
    Er war ein wenig verdutzt und konnte sich nicht recht denken, warum Miss Marple gerade mit ihm über Rose Emmott sprechen wollte.
    Miss Marple setzte sich wieder, und Sir Henry nahm auch Platz. Als die alte Dame von Neuem zu sprechen begann, hatte ihr Wesen sich verändert. Sie war jetzt ernst und legte eine gewisse Würde an den Tag. »Sie erinnern sich vielleicht noch, Sir Henry, dass wir bei verschiedenen Gelegenheiten einem angenehmen Zeitvertreib huldigten. Wir berichteten von geheimnisvollen Ereignissen und versuchten, die richtige Erklärung zu finden. Sie waren damals so freundlich und sagten, dass ich – dass ich nicht zu schlecht dabei abgeschnitten hätte.«
    »Sie haben uns alle geschlagen«, erklärte Sir Henry mit Wärme. »Sie entfalteten ein ausgesprochenes Talent, die Wahrheit zu ergründen, und Sie führten immer, wie ich mich entsinne, eine Parallele aus Ihrem Dorf an, die Ihnen den erforderlichen Anhaltspunkt geliefert hatte.«
    Er lächelte bei diesen Worten, aber Miss Marple lächelte nicht. Sie blieb sehr ernst.
    »Ihre Worte haben mir den Mut gegeben, Sie jetzt aufzusuchen. Ich habe das Gefühl, dass Sie nicht über mich lachen werden, wenn Sie hören, was ich Ihnen zu sagen habe.«
    Er merkte plötzlich, dass sie von einem tödlichen Ernst beseelt war.
    »Ich werde bestimmt nicht lachen«, sagte er sanft.
    »Sir Henry – dieses Mädchen – diese Rose Emmott. Sie hat sich nicht ertränkt – sie ist ermordet worden! – Und ich weiß, wer es getan hat.«
    Sir Henry war so erstaunt, dass er volle zehn Sekunden schwieg. Miss Marple hatte ganz ruhig und sachlich gesprochen, als handle es sich um die alltäglichste Bemerkung der Welt.
    »Das ist eine sehr ernste Behauptung, Miss Marple«, erklärte Sir Henry, sobald er

Weitere Kostenlose Bücher