Der Dienstagabend-Club
sagte Mrs Bantry und stocherte heftig, aber wirkungslos darin herum. »Es muss nicht richtig angelegt worden sein. Wie dumm diese Hausmädchen doch sind! Allerdings ist es auch schon ziemlich spät. Du meine Güte, es ist ja nach eins!«
»Gibt es wohl viele Leute wie sie?«, fragte Jane, die, anscheinend tief in Gedanken versunken, auf der Bettkante saß.
»Wie das Hausmädchen?«
»Nein, wie die komische alte Frau – wie heißt sie doch? – Miss Marple.«
»Ach, ich weiß nicht, nehme aber an, dass sie in einem kleinen Dorf so der Durchschnittstyp ist.«
»Du meine Güte! Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Jane seufzte tief.
»Was ist mit Ihnen?«
»Ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Dolly«, sagte Jane mit unheilverkündender Stimme, »wissen Sie, was diese merkwürdige alte Dame mir zugeflüstert hat?«
»Keine Ahnung.«
»Sie sagte zu mir: ›An Ihrer Stelle würde ich es nicht tun, meine Liebe. Man soll sich nie zu sehr in die Gewalt einer andern Frau begeben, selbst wenn man sie im Augenblick für eine gute Freundin hält.‹ – Wissen Sie, Dolly, das ist eigentlich sehr wahr.«
»Der Grundsatz? Ja, vielleicht. Aber ich sehe im Augenblick keine Nutzanwendung.«
»Ich glaube, man kann einer Frau nie richtig trauen, und ich würde tatsächlich in ihrer Gewalt sein. Daran habe ich nie gedacht.«
»Von welcher Frau reden Sie denn eigentlich?«
»Von Netta Greene, meinem Double.«
»Was weiß denn Miss Marple um Himmels willen von Ihrem Double?«
»Sie hat es wohl erraten – aber wie, das kann ich einfach nicht fassen.«
»Jane, wollen Sie mir nun bitte endlich sagen, wovon Sie eigentlich reden?«
»Von der Geschichte, die ich Ihnen soeben erzählt habe. Oh, Dolly, Sie wissen doch, die Frau – die mir Claude weggenommen hat…«
Mrs Bantry nickte, und vor ihrem geistigen Auge zog blitzschnell die erste von Janes unglücklichen Ehen vorüber – die Ehe mit dem Schauspieler Claude Averbury.
»Er hat sie geheiratet. Und ich hätte ihm prophezeien können, wie es kommen würde. Claude weiß es nicht, aber sie hat ein Verhältnis mit Sir Joseph Salmon – verbringt das Wochenende immer mit ihm in dem Bungalow, von dem ich Ihnen erzählt habe. Ich möchte sie an den Pranger stellen, möchte, dass alle Leute wissen, was für ein Weibsstück das ist! Und durch einen Einbruch würde doch alles ans Licht kommen.«
»Jane!« Mrs Bantry schnappte nach Luft. »Haben Sie sich das alles ausgedacht, was Sie uns da erzählt haben?«
Jane nickte.
»Deshalb habe ich das Stück Smith gewählt. Darin trage ich nämlich die Uniform eines Zimmermädchens. Und wenn dann die Polizei nach mir schickte, könnte ich sagen, ich hätte die Rolle mit einem Double im Hotel geprobt. Ich hatte mir alles so ausgetüftelt: Ich spiele das Zimmermädchen, öffne die Tür und bringe nachher die Cocktails herein. Und Netta stellt mich dar. Er wird sie natürlich nie wiedersehen; also besteht keine Gefahr, dass er sie wiedererkennt. Und ich kann mich als Zimmermädchen unkenntlich machen. Außerdem gehört ein Zimmermädchen zu einer ganz andern Kategorie von Menschen. Ja, und dann den jungen Mann auf die Straße geschleppt, den Schmuckkasten entwendet, die Polizei angerufen und zurück ins Hotel. Und dann würde ihr Name in den Zeitungen erscheinen – und Claude würde sich ein Bild davon machen können, wen er geheiratet hat.«
Mrs Bantry ließ sich stöhnend in einen Sessel fallen.
»Oh, mein armer Kopf! Und die ganze Zeit – Jane Helier, Sie haben es faustdick hinter den Ohren! Wie Sie uns nur die Geschichte erzählt haben – so naiv.«
»Ich bin tatsächlich eine gute Schauspielerin«, erklärte Jane selbstbewusst. »Bin es immer gewesen, was auch die Leute schwatzen mögen. Ich habe mich nicht ein einziges Mal verraten, nicht wahr?«
»Miss Marple hatte Recht«, murmelte Mrs Bantry. »Das persönliche Element. O ja, das persönliche Element. Jane, mein gutes Kind, machen Sie sich eigentlich klar, dass Diebstahl nun einmal Diebstahl ist und dass man Sie hätte ins Gefängnis stecken können?«
»Na, von Ihnen hat es niemand erraten«, meinte Jane. »Außer Miss Marple.« Ihr Gesicht nahm wieder einen verängstigten Ausdruck an. »Dolly, glauben Sie wirklich, dass es viele solcher Frauen gibt wie sie?«
»Offen gestanden, nein«, erwiderte Mrs Bantry.
Wieder stieß Jane einen Seufzer aus.
»Immerhin ist es vielleicht besser, wenn ich es nicht riskiere. Und natürlich würde ich in Nettas Gewalt sein. Das stimmt
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