Der digitale Daemon
Situationen anpassen.
Es gibt eine letzte Regel dieses Regelbruchs, die von entscheidender Bedeutung ist: Die Frage, welchem Unternehmen der Kunde erlaubt, seine Daten zu verwalten, seine Recommendation-Systeme anzubieten und seine elektronischen Assistenten zu installieren, wird zur strategisch wichtigsten Marktmacht. Die Antwort ist zugleich einfach und schwer. Sie lautet: Es wird jenes Unternehmen sein, dem der Kunde am meisten vertraut. Wichtig ist dabei, dass das grundsätzliche Misstrauen in Unternehmen und den Staat, so wie es vor 40 Jahren bei der Einführung unseres heutigen Datenschutzes noch vorherrschte, inzwischen weitgehend verschwunden ist. Die Angst der älteren Generationen vor einer Freigabe von Daten stammt noch aus einer Zeit, die in einer bipolaren Welt vor allem durch Angst geprägt war: Angst vor der Bedrohung durch den Ostblock, Angst vor dem Weltmachtanspruch der USA, Angst vor der Allmacht der Regierung und der Unternehmen. Wir erleben seit 20 Jahren, wie diese allgegenwärtige Angst allmählich verschwindet. Deshalb erleben jüngere, aber auch ältere Menschen die Freigabe ihrer Daten inzwischen überwiegend als nützlich statt als bedrohlich.
Deshalb hat Datenschutz für die Cloud eine zentrale Bedeutung, allerdings nach einer neuen Grundlogik: Der Datenschutz und die Cloud der Zukunft werden nicht mehr die Freigabe der Daten verhindern, sondern den Menschen eine Möglichkeit bieten, ihre Daten freizugeben und dennoch die Souveränität über sie zu behalten. Dies ist nicht so verwegen, wie es klingt. Weiterhin souverän über die eigenen freigegebenen Daten zu bestimmen, ist eigentlich ganz einfach: Man muss sie jederzeit mit wenigen Klicks einsehen, verändern und löschen können. Der »Download-all-data«-Button gehört also zu jeder zukunftssicheren Cloud-Anwendung ebenso dazu wie der »Delete-all-data«-Button. So schwer es Ihnen auch fallen wird!
Demokratie durch Transparenz – Sebastian Nerz
Demokratie bedeutet eigentlich »Herrschaft des Volkes«. In unserem politischen System besteht diese Herrschaft aus einer alle vier oder fünf Jahre stattfindenden Wahl. In einzelnen Bereichen gibt es Volksentscheide oder Bürgerbefragungen; insbesondere auf kommunaler Ebene wird davon Gebrauch gemacht. Als Ausgleich dafür sind die Amtszeiten von beispielsweise gewählten Bürgermeistern häufig auf acht Jahre verlängert. Der Akt der Wahl wiederum stellt den Bürger vor die Frage, welcher Partei er seine Stimme geben möchte. Ob er die betreffende Partei nun als unverzichtbaren Teil der parlamentarischen Opposition sieht – also quasi ein Gewissen ins Parlament wählen möchte –, ob sie die Regierung stellen oder sich daran beteiligen soll, dazu wird der Bürger nicht gefragt. Auch nicht, welchen Aussagen der Partei er zustimmt und welchen nicht. Die Wahl ist also eine nur sehr eingeschränkte, sie wird auf eine einzelne Frage beschränkt: »Welcher dieser Gruppen trauen Sie am ehesten zu, ihre Interessen zu vertreten?« Politiker sagen gerne, dass die Frage laute: »Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, Deutschland zu regieren?« Diese alternative Frageform suggeriert aber bereits eine größere Wahlmöglichkeit, als sie der Bürger tatsächlich hat, und damit eine weitergehende Legitimation für den handelnden Politiker. Auch nehmen Politiker gerne an, dass jedwedes Handeln ihrerseits durch die Wahl gerechtfertigt sei. Der Bürger habe sich ja für sie entschieden. Auch das ist eigentlich ein Trugschluss. Vielleicht hat der Bürger sich nur für das geringste Übel entschieden, in völliger Unkenntnis der Haltung eines Politikers oder einer Partei zu einem bestimmten Thema. Da zudem Parteien und Politiker ihre Haltung gerne im Laufe einer Legislaturperiode verändern, stellt sich hier die Frage, wie weit die Legitimation durch den Bürger dann wirklich noch besteht.
Bei alldem wird eine Frage gar nicht angesprochen – und zwar, inwieweit eine Wahl bei einer niedrigen Wahlbeteiligung noch das gesamte parlamentarische Handeln legitimiert. Seit einigen Jahren vertritt keine einzige Landes- oder Bundesregierung in Deutschland mehr die Mehrheit der Bevölkerung. In einigen Fällen vertrat das letztlich »gewählte« gesamte Parlament sogar nicht einmal mehr die Mehrheit der Bevölkerung. Eine sinkende Wahlbeteiligung nahe 50 Prozent und eine relativ hohe Anzahl an ungültigen oder durch das Wahlsystem irrelevanten Stimmen für Kleinparteien sorgen dafür.
Die Legitimationsfrage
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