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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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in der Sint Nicolaaskerk, Marktstände, die oliebollen verkauften. » Wäre beinahe von einem Fahrrad angefahren worden, aber davon abgesehen war’s nett hier. « Mir tat die Brust weh. Ich zog das Rollo wieder herunter, stellte mich in die Dusche und ließ das heiße Wasser auf mich herunterprasseln, bis meine Haut brannte. Überall in der Nachbarschaft funkelten die Märchenlichter der Restaurants, und in den Schaufenstern der Geschäfte waren Cashmere-Mäntel und schwere, handgestrickte Pullover ausgestellt, all die warmen Sachen, die ich nicht eingepackt hatte. Aber ich wagte nicht mal, unten anzurufen und mir eine Kanne Kaffee zu bestellen, dank den holländischen Zeitungen, durch die ich mich schon weit vor Sonnenaufgang gewühlt hatte. Eine davon hatte ein Foto von der Parkgarage auf der Titelseite, mit Polizeiabsperrband vor der Einfahrt.
    Die Zeitungen lagen auf der anderen Seite meines Bettes auf dem Boden ausgebreitet wie die Landkarte einer schrecklichen Gegend, die ich nicht aufsuchen wollte. Immer wieder, und ohne dass ich es wollte, zwischen Dämmerzuständen und fiebrigen Gesprächen, die ich nicht führte, mit Leuten, mit denen ich sie nicht führte, kehrte ich zu ihnen zurück und durchsuchte sie nach niederländisch-englischen Wörtern mit gleicher Abstammung, aber die waren selten und weit verstreut. Americaan dood aangetroffen. Heroïne, cocaïne. Moord: mortality, mordant, morbid, murder. Mord. Drugsgerelateerde criminaliteit: Frits Aaltink, afkomstig uit Amsterdam en Mackay Fiedler Martin uit Los Angeles. Bloedig: bloody. Blutig. Schotenwisseling: wer weiß, aber schoten – bedeutete das vielleicht shots? Schüsse? Deze moorden kwamen als en schok voor – was?
    Boris. Ich ging zum Fenster, blieb stehen und kehrte zurück. Trotz des Durcheinanders auf der Brücke erinnerte ich mich, dass er mir befohlen hatte, ihn nicht anzurufen. In diesem Punkt war er sehr entschieden gewesen, aber wir hatten uns so hastig getrennt, dass ich nicht sicher war, ob er noch gesagt hatte, warum ich darauf warten sollte, dass er sich meldete, und ich wusste auch nicht genau, ob es mich noch interessierte. Er hatte auch sehr entschieden darauf beharrt, nicht verletzt zu sein, zumindest beschwor ich es so in meinen Gedanken immer wieder herauf, aber im Sumpf der unerwünschten Erinnerungen an jenen Abend, in dem ich immer wieder versackte, sah ich das verbrannte Loch in seinem Mantelärmel, den klebrigen schwarzen Wollstoff im Wellenlicht der Natriumlampen. Wusste ich denn, ob ihn die Verkehrspolizei nicht doch noch auf der Brücke erwischt und wegen Fahrens ohne Führerschein einkassiert hatte? Zugegeben ein beschissener Zufall, aber sehr viel besser als viele andere Möglichkeiten, die mir so einfielen.
    Twee doden bij bloedige … Es hörte nicht auf. Da kam mehr. Am nächsten Tag und am übernächsten, zusammen mit meinem Traditional Dutch Breakfast, kamen weitere Berichte über die Schießerei am Overtoom: kürzere Spalten, aber dichtere Informationen. Twee dodelijke slachtoffers. Nog een of meer betrokkenen. Wapengeweld in Nederland. Ein Foto von Frits und daneben Fotos von ein paar anderen Leuten mit holländischen Namen und ein längerer Artikel, den ich gar nicht erst versuchte zu lesen. Dodelijke schietpartij nog onopgehelderd … Es beunruhigte mich, dass nicht mehr von Rauschgift die Rede war– Boris’ falscher Spur–, sondern andere Aspekte in den Vordergrund gerückt waren. Ich hatte diese Sache in Gang gesetzt, sie war in der Welt, die Leute in der ganzen Stadt lasen täglich etwas darüber und redeten davon in einer Sprache, die ich nicht verstand.
    Eine riesige Tiffany-Anzeige in der Herald Tribune. Zeitlose Schönheit und Handwerkskunst. Frohes Fest wünscht Tiffany & Co.
    Das Glück spielt Streiche. Systeme, drastisch sinkende Spreads.
    Wo war Boris? In meinem Fieberdunst versuchte ich, mich damit zu unterhalten oder wenigstens abzulenken, dass ich mir vorstellte, wie er wahrscheinlich genau in dem Augenblick aufkreuzte, wenn man ihn nicht erwartete. Wie er mit den Fingerknöcheln knackte, dass die Mädchen zusammenschraken. Wie er eintrudelte, als unsere staatliche Befähigungsprüfung schon eine halbe Stunde im Gange war, und wie die ganze Klasse lachte, als sein verblüfftes Gesicht durch die drahtverstärkte Glasscheibe der verschlossenen Tür spähte: Aha, unsere strahlende Zukunft, hatte er verachtungsvoll gesagt, als ich versuchte, ihm zu erklären, was standardisierte Tests waren.
    In

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