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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Gristedes da drüben. Ein nagelneuer Rahmen. Sogar die Armlehnen sind neu. Nur zwei Füße sind original, du hast dagestanden und zugesehen, wie ich die neuen gerieft habe… «
    » Es tut mir leid, Hobie– das Finanzamt hat jeden Tag angerufen– ich wusste nicht, was ich tun sollte… «
    » Das weiß ich « , sagte er, aber mir war, als bliebe da ein Fragezeichen in seinen Augen, noch während er sprach. » Da unten fand ein Kinderkreuzzug statt. Aber « , er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verdrehte die Augen zur Decke, » warum hast du nicht aufgehört? Warum hast du immer weitergemacht? Wir haben Geld ausgegeben, das wir nicht haben! Du hast uns ein Loch gegraben, so tief, dass wir auf halbem Weg nach China sind! Das geht seit Jahren so! Selbst wenn wir für alles aufkommen könnten, was wir absolut nicht können, wie du genau weißt… «
    » Hobie, zunächst mal: Ich kann dafür aufkommen, und zweitens… « Ich brauchte dringend einen Kaffee, ich war nicht wach, aber auf dem Herd stand keiner, und es war wirklich nicht der richtige Moment, aufzustehen und welchen zu machen. » … zweitens, na ja, ich will nicht sagen, es ist okay, denn das ist es absolut nicht, ich habe nur versucht, uns über die Runden zu bringen und ein paar Schulden zu bezahlen, und ich weiß nicht, wie ich es so weit außer Kontrolle geraten lassen konnte. Aber– nein, nein, hör zu « , sagte ich eindringlich, denn ich sah, wie er in einen Nebel wegdriftete, wie meine Mutter es oft getan hatte, wenn sie gezwungen gewesen war, dazusitzen und sich eine komplizierte und unglaubliche Lügengeschichte meines Vaters anzuhören. » Was immer er dir gesagt hat– ich weiß nicht, was es war–, aber ich habe das Geld jetzt. Es ist alles in Ordnung. Okay? «
    » Ich glaube, ich wage nicht, dich zu fragen, woher du es hast. « Betrübt lehnte er sich zurück. » Wo warst du wirklich? Wenn ich fragen darf? «
    Ich schlug die Beine abwechselnd links und rechts übereinander und wischte mir mit beiden Händen über das Gesicht. » In Amsterdam. «
    » Wieso in Amsterdam? « Und während ich noch versuchte, eine Antwort zusammenzukriegen, sagte er: » Ich dachte, du kommst nicht zurück. «
    » Hobie… « Ich glühte vor Scham. Ich hatte mich immer so sehr bemüht, mein unaufrichtiges Ich vor ihm zu verstecken und ihm nur die aufgebesserte-und-blank-polierte Version zu zeigen– niemals das schändliche, fadenscheinige Ich, das ich so verzweifelt zu verbergen suchte, den Betrüger und Feigling, den Lügner und Trickser…
    » Warum bist du zurückgekommen? « Er sprach schnell und niedergeschlagen, als wollte er diese Worte regelrecht aus dem Mund katapultieren, und in seiner Erregung stand er auf und fing an, auf und ab zu gehen. Seine flachen Pantoffeln klatschten auf den Boden. » Ich dachte, wir hätten dich zum letzten Mal gesehen. Die ganze letzte Nacht– die letzten Nächte– wach gelegen und mich gefragt, was ich tun soll. Schiffsuntergang. Katastrophe. Diese gestohlenen Bilder, überall in sämtlichen Nachrichten. Ein schönes Weihnachtsfest. Und du– nirgends zu finden. Gehst nicht ans Telefon– niemand wusste, wo du bist… «
    » Mein Gott. « Ich war ehrlich entsetzt. » Das tut mir leid. Und hör zu, hör zu… « Sein Mund war schmal, und er schüttelte den Kopf, als habe er schon vorher verworfen, was ich sagen würde, als habe es keinen Sinn mehr, überhaupt noch zuzuhören. » Wenn es die Möbel sind, die dir Sorgen machen… «
    » Möbel? « Der friedfertige, tolerante, versöhnliche Hobie: er grollte wie ein Dampfkessel kurz vor der Explosion. » Wer redet denn von Möbeln? Reeve hat gesagt, du bist verduftet, abgehauen, aber « , er stand auf und versuchte blinzelnd, sich wieder zu fassen, » das habe ich nicht von dir geglaubt, das konnte ich nicht, und ich hatte Angst, es wäre etwas sehr viel Schlimmeres passiert. Ach, du weißt schon, was ich meine « , sagte er halb wütend, als ich nicht antwortete. » Was sollte ich denn glauben? Wie du da nach der Party verschwunden bist… Pippa und ich, du kannst dir das nicht vorstellen, es gab leisen Ärger mit der Gastgeberin, › wo ist denn der Bräutigam? ‹ , ein bisschen verschnupft, du warst so plötzlich weg, und zur Nachfeier waren wir nicht eingeladen, also haben wir uns verzogen– und dann– stell dir vor, wie es mir ging, als ich nach Hause kam und die Tür war nicht abgeschlossen, stand praktisch sperrangelweit offen, die Kasse geplündert… die

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