Der Distelfink
Familienbesitz. Jedes Stück hatte eine Geschichte. Und es machte ihr große Freude, einem zu zeigen, wo man um welche Zeit stehen musste, um ein einzelnes Stück im besten Licht zu betrachten. Spätnachmittags, wenn die Sonne durch das Zimmer wanderte « , er ließ die Finger auseinanderfliegen, plopp, plopp!, » leuchtete eins nach dem anderen auf, wie Feuerwerkskörper an einer Schnur. «
Von meinem Stuhl aus hatte ich freie Sicht auf Hobies Arche Noah: bemalte Elefanten und Zebras, geschnitzte Tiere in Zweierkolonnen, bis hinunter zu den winzig kleinen, der Henne und dem Hahn, den Häschen und den Mäusen, die den Schluss bildeten. Und dort saß die Erinnerung, jenseits aller Worte, eine verschlüsselte Botschaft von jenem ersten Nachmittag: Regen floss an den Oberlichtern herab, und die traute Kolonne auf der Küchentheke wartete darauf gerettet zu werden. Noah, der große Bewahrer, der große Behüter.
Hobie war aufgestanden, um Kaffee zu machen. » Vermutlich ist es unedel, sein Leben mit so viel Liebe zu Objekten zu verbringen… «
» Wer sagt das? «
» Na ja « , er wandte sich vom Herd ab, » es ist ja nicht so, als führten wir hier unten eine Klinik für kranke Kinder, sagen wir es mal so. Was ist denn edel daran, einen Haufen alte Tische und Stühle zusammenzuflicken? Möglicherweise zersetzt es die Seele. Ich habe zu viele Nachlässe gesehen, um das nicht zu wissen. Götzendienerei! Eine zu große Liebe zu Objekten kann dich zerstören. Aber– wenn dir ein Ding wirklich am Herzen liegt, bekommt es ein ganz eigenes Leben, nicht wahr? Und ist das nicht der ganze Sinn der Dinge– der schönen Dinge, dass sie dich mit einer größeren Schönheit verbinden? Diese ersten Eindrücke, die dein Herz weit aufreißen, sodass du den Rest deines Lebens damit verbringst, ihnen nachzujagen oder sie wieder einzufangen, auf diese oder jene Weise? Denn ich meine– alte Dinge zu reparieren, sie zu erhalten, für sie zu sorgen– in gewisser Hinsicht gibt es dafür keine rationale Begründung… «
» Nichts, was mir am Herzen liegt, hat eine › rationale Begründung ‹ . «
» Das empfinde ich genauso « , sagte er vernünftig. » Aber « , er spähte kurzsichtig in die Kaffeedose und löffelte das Kaffeemehl in die Kanne, » entschuldige, wenn ich weiterfasele, aber von hier aus, da, wo ich stehe, sieht es ein bisschen nach einem Dilemma aus, oder? «
» Was? «
Er lachte. » Was soll ich sagen? Große Gemälde– die Leuten kommen scharenweise, um sie zu sehen, sie ziehen das Publikum an, werden endlos reproduziert, auf Kaffeebechern, Mauspads, auf allem, was du willst. Und– dabei beziehe ich mich selbst ein– du kannst ein Leben lang völlig aufrichtig ins Museum gehen, wo du herumläufst und dir alles gefällt, und dann gehst du wieder raus und isst etwas zu Mittag. Aber « , er kam zum Tisch und setzte sich, » wenn ein Bild wirklich tief in deinem Herzen wirkt und dein Sehen verändert, dein Denken, dein Fühlen, dann denkst du ja nicht: › Oh, ich liebe dieses Bild, weil es so universal ist ‹ , oder › Ich liebe dieses Bild, weil es zur ganzen Menschheit spricht. ‹ Aus diesen Gründen liebt niemand ein Kunstwerk. Es ist ein heimliches Wispern aus einer schmalen Gasse. Pst, du da. Hey, Junge. Ja, du. « Seine Fingerspitze glitt über das blasse Foto– die Berührung des Konservators, eine berührungsfreie Berührung, bei der eine Hostie zwischen Finger und Fläche passte. » Ein individueller Schock für das Herz. Dein Traum, Weltys Traum, Vermeers Traum. Du siehst ein Bild, ich sehe ein anderes, der Kunstband rückt es ein Stück weiter zurück, die Lady, die im Museumsshop eine Postkarte kauft, sieht etwas völlig anderes, ganz zu schweigen von den Menschen, die durch die Zeit von uns getrennt sind– vierhundert Jahre vor uns, vierhundert Jahre nach uns. Niemanden wird es je auf die gleiche Weise berühren, und die allermeisten Menschen wird es überhaupt nicht wirklich tief berühren, aber– ein wirklich großes Bild ist so flüssig, dass es aus den verschiedensten Winkeln in Köpfe und Herzen eindringen kann, und jedes Mal auf einzigartige und sehr spezielle Art und Weise. Deins. Deins. Für dich bin ich gemalt worden. Und– ach, ich weiß nicht, unterbrich mich, wenn ich ins Quasseln komme… « Er strich sich mit der Hand über die Stirn. » Welty selbst sprach immer von schicksalhaften Objekten. Jeder Händler, jeder Antiquar erkennt sie sofort. Die Stücke, die auftauchen und
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