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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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wieder auftauchen. Für jemand anderen, der kein Händler ist, wäre es vielleicht kein Objekt. Es wäre eine Stadt, eine Farbe, eine Tageszeit. Der Nagel, an dem dein Schicksal sich verheddern und hängenbleiben kann. «
    » Du hörst dich an wie mein Dad. «
    » Na– sagen wir es anders. Wer war es noch, der gesagt hat, der Zufall sei nur Gottes Methode, anonym zu bleiben? «
    » Jetzt klingst du wirklich wie mein Dad. «
    » Wer weiß, ob Spieler es nicht tatsächlich besser verstehen? Ist nicht alles es wert, dass man etwas dafür riskiert? Kann das Gute nicht manchmal auch durch seltsame Hintertüren hereinkommen? «
    VIII
    Und ja. Ich glaube, das kann es. Oder– um noch eine Perle des Paradoxen aus dem Fundus meines Dads zu zitieren: Manchmal musst du verlieren, um zu gewinnen.
    Denn inzwischen ist es fast ein Jahr später, und ich war fast die ganze Zeit auf Reisen. Elf Monate, zum größten Teil verbracht in Flughaufen-Lounges, Hotelzimmern und anderen Durchgangsstationen, beim Rollen sowie während Start und Landung Tisch bitte hochklappen, Plastiktabletts und die schale Luft aus den Haifischkiemen der Kabinenbelüftung– und obwohl noch nicht einmal Thanksgiving ist, hängen die Lichter schon, und im Starbucks auf dem Flughafen fangen sie an, Easy-Listening-Weihnachtsklassiker zu spielen, wie Vince Guaraldis » Tannenbaum « und Coltranes » Greensleeves « , und unter den vielen, vielen Dingen, über die ich in dieser Zeit nachdenken konnte (zum Beispiel: Wofür lohnt es sich zu leben? Wofür lohnt es sich zu sterben? Welches Streben ist wirklich töricht?), war auch das, was Hobie gesagt hat: über Bilder, die das Herz berühren und es aufblühen lassen wie eine Blume, Bilder, die den Blick auf eine viel, viel größere Schönheit eröffnen, die man sonst sein Leben lang suchen könnte, ohne sie zu finden.
    Und es hat mir gutgetan, diese Zeit allein auf Reisen zu sein. Ein Jahr– so lange habe ich gebraucht, um in Ruhe und allein umherzustreifen und die Fälschungen zurückzukaufen, die noch da draußen waren, ein delikates Geschäft, das man, wie ich herausgefunden habe, am besten persönlich betreibt: drei, vier Reisen im Monat, nach New Jersey und Oyster Bay und Providence und New Canaan und– weiter draußen– nach Miami, Houston, Dallas, Charlottesville, Atlanta, wo ich auf Einladung meiner reizenden Kundin Mindy, der Ehefrau eines Autoteileindustriellen namens Earl, drei ziemlich angenehme Tage im Gästehaus eines nagelneuen Korallenstein-Châteaus verbrachte, ausgestattet mit einem eigenen Billard-Salon, einem » Gentleman’s Pub « (mit einem echten, importierten, englischstämmigen Barkeeper) und einem geschlossenen Schießstand mit maßgefertigter schienengeführter Zielanlage. Einige meiner Dot-Com- und Hedgefonds-Kunden haben Zweitwohnsitze an– für mich jedenfalls– exotischen Orten, auf Antigua, in Mexiko und auf den Bahamas, in Monte Carlo, Juan-les-Pins und Sintra. Interessante lokale Weine und Cocktails auf Gartenterrassen mit Palmen und Agaven und weißen Sonnenschirmen am Pool, die flattern wie Segel. Und dazwischen war ich immer wieder in einem Zustand des Bardo, flog umher mit machtvollem Tosen, stieg hinter tropfenbespritzten Fenstern ins maschige Sonnenlicht hinauf und wieder hinunter zu Regenwolken und Regen und Rolltreppen, tiefer und tiefer zu einem Wust von Gesichtern am Gepäckband, eine gespenstische Art von Jenseits, ein Raum zwischen Erde und Nicht-Erde, Welt und Nicht-Welt, mit blank polierten Böden und dem Echo von Kathedralen mit gläsernen Dächern und dem ganzen anonymen Glanz des Terminals mit einer Massenidentität, der ich nicht angehören wollte und tatsächlich nicht angehöre, aber es ist fast, als wäre ich gestorben, ich fühle mich anders, ich bin anders, und mit einem gewissen betäubten Vergnügen passe ich mich dem Kommen und Gehen der Masse an, mache ein Schläfchen auf Plastikformstühlen und wandere durch die funkelnden Gänge des Duty-Free, und selbstverständlich ist jedermann nach der Landung absolut nett: Tennishallen und Privatstrände, und nach dem obligaten Rundgang– alles sehr hübsch, den Bonnard bewundert, den Vuillard, ein leichter Lunch am Pool– stelle ich einen stattlichen Scheck aus und fahre mit dem Taxi zurück ins Hotel, ein gutes Stück ärmer.
    Es ist eine große Verschiebung, und ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll. Zwischen Wollen und Nichtwollen, Interesse und Desinteresse.
    Natürlich ist noch eine Menge

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