Der Doge, sein Henker und Ich
Henker?«
»Ich weiß es nicht. Er ist gegen Kugeln resistent.«
Ich besaß noch andere Waffen, aber sie setzte ich nicht mehr ein, denn der Henker drehte sich und sprang über Bord. Wasser spritzte hoch, die Oberfläche schäumte noch nach, nur vom Henker des Dogen sahen wir nichts mehr. Dafür trieb die Gondel durch die Wucht des Absprungs allmählich wieder in eine andere Richtung.
Dennoch bekamen wir etwas zu sehen. Renate Gehrmann hatte uns bereits von dem goldenen Schimmer dicht unter der Wasserfläche berichtet. Den sah ich auch. Nur blieb er nicht auf einer Stelle konzentriert. Schnell wie ein Fisch bewegte er sich weiter, tauchte tiefer, so daß die dunkle Farbe des Wassers ihn sehr bald verdeckte und er nicht mehr von uns gesehen werden konnte.
»Es war der Doge, John!« flüsterte Jane.
Ich gab ihr recht.
»Welcher Doge?« fragte Renate. »Von wem sprechen Sie überhaupt?«
Ich winkte ab. »Später können wir darüber reden, falls es Sie interessiert.«
»Wo wollen Sie denn hin?« fragte Renate.
»Zunächst einmal bringen wir Sie an Land.« Ich deutete auf den Toten.
»Und ihn auch.«
Als ich mich ans Steuer stellte, legte mir Jane eine Hand auf die Schulter. »John, ich muß dich sprechen.«
»Was gibt es denn?«
»Ist dir nichts aufgefallen, als der Henker den Toten geschleudert hat?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich wunderte mich nur über dessen Kraft.«
»Und ich habe mich über das Gewicht der Leiche gewundert. Sie ist schwer, viel schwerer als ein normaler Mensch. Versuch mal, ihn anzuheben.«
Das tat ich auch. So schwer war kein normaler Mensch!
»Nun?«
Ich nickte. »Schwer wie…«
»Sag ruhig Blei.«
»Ja, so ist es.«
»Er hat sich also verändert«, flüsterte Jane. »Der Henker muß ihn dazu gemacht haben.«
»Oder der Doge.«
»Kann auch sein.«
»Wovon reden Sie eigentlich hier?« fragte die Deutsche.
Ich startete. »Lassen Sie uns erst einmal hier wegfahren.«
Wir ließen die Brücke hinter uns. Mittlerweile war es noch düsterer geworden. Es ging auf den Abend zu, die Häuser warfen Schatten auf den Kanal, das Wasser wirkte unruhig, auch unheimlich und düster. Als würden unter seiner Oberfläche zahlreiche Schätze oder geheimnisvolle Tempel verborgen liegen, die es zu schützen galt.
An dieser Wasserstraße war nichts los. Die Menschen mußten die Schüsse gehört haben, aber niemand reagierte. Die Umgebung wirkte schläfrig, als läge sie in einer anderen Zeit und nicht in der hochtechnisierten Gegenwart.
Wir fanden eine schmale Mole, wo wir das Boot an einem Polier vertäuen konnten. Ich sprang heraus, Jane warf mir das Tau zu, das ich um den Poller wickelte. Nicht weit entfernt befand sich die Einmündung einer kleinen Gasse. Dort waren Menschen unterwegs. Wir hörten ihre Stimmen und auch die Musik, die wie aus dem Trichter eines Hörrohrs an unsere Ohren drang.
Gegenüber der Mole brannte eine Laterne. Ihr Streulicht warf einen gelben Kreis auf den Boden, der fast bis an den Rand des Wassers reichte.
Keiner von uns war beim Wurf des Henkers ernsthaft verletzt worden, aber die Leiche interessierte mich besonders. Der Gondoliere trug noch seine typische Berufskleidung. Ein rot und weiß quergestreiftes Hemd, eine blaue Hose und eine enge Jacke.
Ich leuchtete den Toten direkt an. Mich interessierte besonders sein Gesicht. Der Lampenstrahl wanderte über die wie eingefroren wirkenden Züge, die so stumpf wirkten. Er erfaßte auch die glanzlosen Augen. Sie ähnelten grauen Farbkreisen. Als ich mit den Fingerkuppen über das Gesicht strich, gelang es mir nicht, die Flaut einzudrücken. Sie war hart.
»Wie Metall, nicht?« fragte Jane.
»So ist es.« Ich holte mein Taschenmesser hervor und klappte es auf. Jane wußte schon, was folgen würde. Renate Gehrmann zog sich zurück. Ihr Gesicht nahm einen abwehrenden Ausdruck an. Ich setzte die Messerspitze in Brusthöhe an und begann damit, das enganliegende Hemd aufzuschneiden, weil ich mir die Brust des Mannes näher ansehen wollte.
Ich klappte die beiden Stoffstücke zur Seite und sah die nackte Brust vor mir liegen.
Auch sie zeigte die graue Farbe des Gesichts,, aber es kam noch etwas hinzu.
»Da ist das Zeichen!« hauchte Jane.
Sie hatte sich nicht geirrt. Wir konnten das G und das C sehr deutlich erkennen.
»Giancarlo Cabrisi!« sagte Jane so laut, daß auch Renate Gehrmann sie verstanden hatte.
»Wie kommen Sie gerade auf ihn?« fragte sie.
Wir schauten sie an. »Kennen Sie den
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