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Der Doge, sein Henker und Ich

Der Doge, sein Henker und Ich

Titel: Der Doge, sein Henker und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Namen?«
    »Natürlich, Mr. Sinclair. Ich habe mich mit der Geschichte Venedigs beschäftigt.«
    »Dann wissen Sie möglicherweise mehr über ihn?«
    »Nicht viel, aber es reicht, um einen Schauer zu bekommen.« Sie starrte mir ins Gesicht mit einem Ausdruck, als wäre ihr gerade etwas eingefallen. »Ja, dieser Doge hatte auch einen Henker. Er hieß Tu… Tull…«
    »Turrio.«
    »Richtig, Turrio. Die beiden übten eine furchtbare Terror-Herrschaft in der Stadt aus.«
    »Genau, und den Henker haben Sie gesehen.«
    »Auch den Dogen. Denn es wird erzählt, daß er stets eine goldene Maske trug.«
    Ich richtete mich auf. »Was wollen wir mehr?«
    Jane schaute auf das Sigill. »Das muß der Henker in die Brust eingeritzt haben«, flüsterte sie. »Und er ist ein Meister seines Fachs gewesen. Es läuft kein Blut.«
    »Vielleicht kann der Mann nicht bluten.«
    »Wegen des Bleis?«
    »Nehme ich an.« Ich bückte mich wieder und schob meine rechte Hand unter den Hinterkopf des Toten, um den Schädel anzuheben. Schon beim ersten Zufassen stellte ich die Veränderung fest. Der Kopf war weich geworden, das Material, aus dem er bestand, gab unter dem Druck meiner Hände nach. Ich spürte schon, wie es auf meine Handfläche rieselte und ich gleichzeitig meine Finger in den Kopf hineinschieben konnte.
    Vor unseren Augen geschah das Unfaßbare und Unheimliche. Der Tote zerfiel zu Bleistaub.
    Da sackte die Kleidung zusammen, da rieselten die winzigen Körner aus den Ärmel-und Hosenöffnungen, und auch das Gesicht sackte zusammen, als hätte jemand hineingeschlagen.
    Was blieb war Bleistaub.
    Renate Gehrmann hatte sich zurückgedrängt. Sie hockte auf der schmalen Bank und sah fast ebenso grau aus wie die Leiche. »Das kann doch nicht sein!« flüsterte sie. »Wie ist denn so etwas überhaupt möglich?«
    Ich hob die Schultern. »Glauben Sie an Magie?«
    »Nein.«
    »Jetzt müßten Sie es allmählich. Was hier passiert ist, geht nicht mit rechten Dingen zu. Sie haben den Henker Turrio gesehen, vielleicht sogar seinen Dogen und erleben jetzt, was mit den Opfern geschieht, die in die Klauen des Henkers geraten sind. Ihnen steht ein grauenhafter Tod bevor. Wahrscheinlich werden sie auch zuvor noch furchtbar zu leiden gehabt haben.«
    »Sie sagen das mit einer Sicherheit, als wüßten Sie über diese Dinge genau Bescheid.«
    »Das kann auch sein.«
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ich beschäftige mich mit Dingen, die ein wenig außerhalb der physikalischen Grenzen liegen.«
    »Was Okkultes?«
    »So kann man es nennen.«
    »Sind Sie ein Exorzist?«
    »Nein, das bin ich nicht. Sie können mich meinetwegen einen Geisterjäger nennen. Im Hauptberuf bin ich Polizei beamter.«
    Renate nickte, bevor sie auf Jane deutete. »Ist sie das vielleicht auch?«
    »Fast«, erwiderte die ehemalige Hexe und schaute über das Wasser. Auf der kleinen Mole erschienen drei Männer und zwei Frauen. Sie waren aus der Gasse gekommen und hatten einiges getrunken. Die Frauen wollten weitergehen, aber die Männer zogen sie wieder zurück, was sich die Frauen auch gefallen ließen.
    »Haben Sie eine Zigarette für mich?«
    »Sicher.« Ich reichte Renate die Packung. Sie zog ein Stäbchen hervor, bekam Feuer, und auch ich rauchte. Ich betrachtete sie als einen Glücksfall. Wenn die Deutsche tatsächlich so viel über Venedig wußte, konnte sie uns auch etwas über den Dogen berichten. Zunächst einmal mußte sie sich von dem Schock erholen. Gierig saugte sie an der Zigarette.
    Den halb aufgerauchten Glimmstengel schnippte sie ins Wasser. »Sie wollen etwas über den Dogen wissen, nicht wahr?«
    »Wenn es sich ermöglichen läßt.«
    »Sicher.« Sie drückte ihren Körper so weit zurück, bis sie mit dem Rücken die innere Bordwand berührte. Dann zog sie die Beine an und umklammerte mit beiden Händen die Knie. »Ich bin natürlich keine Historikerin und kann Ihnen auch keine genauen Jahreszahlen angeben, aber Giancarlo Cabrisi hat nur eine sehr kurze Regierungszeit gehabt. Es waren höchstens einige Monate, aber er ist bereits insofern bekannt geworden, als daß er zweimal die Türken zurückgeschlagen hat. Anfang des 16. Jahrhunderts hatte Venedig ständig Ärger mit den Türken, die die reiche Stadt überfallen wollten. Cabrisi schlug die Türkenwelle zurück, wurde gefeiert und auch zum Dogen erhoben. Dann begann seine Herrschaft. Sie war ein einziges Martyrium für die Menschen. Er legte sich mit allen Gesellschaftsschichten an. In den Bleikammern lagen Hunderte

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