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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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mir auf dem Hals des Pferdes, und seine Mißbilligung überspülte mich förmlich. Ich machte noch zwei Stiche, dann explodierte Siegfried und fauchte mich an: »Zum Teufel, was treiben Sie denn da, James?«
    »Ich nähe, das sehen Sie doch.«
    »Aber warum trödeln Sie mit diesen kurzen Fäden herum? Wenn das so weitergeht, sitzen wir heute abend noch hier.«
    Ich fummelte an einem weiteren Knoten. »Wir müssen doch sparen«, sagte ich tugendhaft.
    Siegfried sprang auf, als hätte das Pferd ihn gebissen. »Ich halte das nicht länger aus! Lassen Sie mich mal ran.«
    Er ging zum Tablett, wählte eine Nadel aus und ergriff das freie Ende des Katguts, das aus dem Glas herausragte. Mit einer schwungvollen Armbewegung zog er so heftig an dem Faden, daß sich die Spule in der Flasche wild surrend drehte wie eine Lachswinde mit einem großen Fisch an der Leine. Als er zu dem Pferd zurückkehrte, geriet er ein wenig ins Stolpern, weil sich das Katgut um seine Fußknöchel schlang. Das Nähen war nicht leicht, denn selbst mit ausgestrecktem Arm konnte er den Faden nicht strammziehen und mußte immer wieder aufstehen. Endlich war er fertig. Er keuchte, und ich sah, daß seine Stirn mit Schweiß bedeckt war.
    »Da sickert noch ein bißchen Blut durch«, murmelte er, inspizierte erneut das Tablett und zerrte wild an einer großen Rolle Watte. Weiße Watteschlangen über die Butterblumen schleifend kam er zurück. Er tupfte die Wunde mit einem Ende der Wattemasse ab und begab sich dann wieder zu dem Tablett. »Jetzt noch ein bißchen Puder, bevor ich die Haut zusammennähe«, sagte er leichthin und ergriff einen Zweipfundkarton. Er hielt ihn einen Augenblick über dem Pferd in der Schwebe, bevor er den Puder mit übertriebenen ruckhaften Bewegungen seines Handgelenks zu verstreuen begann. Eine beträchtliche Menge geriet in die Wunde; das meiste aber sprühte über die anderen Körperteile des Pferdes, über mich, über die Butterblumen, und eine besonders weitreichende Puderwolke legte sich auf das schwitzende Gesicht des Mannes, der das gefesselte Vorderbein hielt. Als er aufhörte zu husten, sah er aus wie ein Clown.
    Siegfried beendete seine Näharbeit und sparte dabei nicht mit Material. Dann trat er zurück, um das saubere Resultat zu betrachten, und ich sah, daß er in glänzender Stimmung war. »Gut so, sehr schön. Bei einem so jungen Pferd heilt das im Handumdrehen. Vielleicht bleiben nicht mal Narben.«
    Als ich die Instrumente in einem Eimer wusch, kam er zu mir. »Tut mir leid, daß ich Sie so einfach beiseite gedrängt habe, James, aber offen gestanden konnte ich nicht begreifen, was in Sie gefahren war. Wissen Sie, es macht einen schlechten Eindruck, wenn man so geizig mit dem Material umgeht. Man muß mit einem gewissen – na, sagen wir – Schwung operieren, und das kann man nicht, wenn man an allem knappt.«
    Ich trocknete die Instrumente ab, legte sie auf das Tablett und ging damit auf das Gatter zu. Siegfried blieb an meiner Seite. Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Denken Sie nicht, daß ich Sie tadeln will, James. Es liegt wahrscheinlich an Ihrer schottischen Erziehung. Und verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Diese Erziehung hat in Ihnen auch viele Eigenschaften ausgeprägt, die ich bewundere – Integrität, Fleiß, Loyalität. Aber ich bin sicher, Sie werden als erster zugeben –« hier unterbrach er sich und drohte mir mit dem Finger – »daß ihr Schotten manchmal die Sparsamkeit übertreibt.« Er lachte. »Also denken Sie daran, James, seien Sie nicht so – äh – so kleinlich, wenn Sie operieren.«

Kapitel 20
     
    »Ich sehe Ihnen an, daß Sie Schweine mögen«, sagte Mr. Worley, als ich mich in den Verschlag geschoben hatte.
    »Können Sie mir das wirklich ansehen?«
    »Ja, Ihnen und anderen auch. Sie sind so ruhig hineingegangen, haben Queenies Rücken gekratzt und so nett zu ihr gesprochen, und da wußte ich, das ist ein junger Mann, der Schweine gern hat.«
    »O ja, da haben Sie recht. Ich mag Schweine sehr gern.« In Wahrheit hatte ich mich nur deshalb so vorsichtig an Queenie vorbeigeschlängelt, weil ich nicht wußte, wie sie reagieren würde. Sie war ein gewaltiges Tier, und Säue mit jungen Ferkeln können zu Fremden sehr feindselig sein. Ich hatte schon oft einen Schweinekoben sehr viel schneller verlassen, als ich in ihn hineingegangen war.
    Aber Queenie schien mich akzeptiert zu haben. Sie grunzte zwar, aber ganz friedlich, dann ließ sie sich langsam auf das Stroh sinken

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