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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Siegfried auf volle Geschwindigkeit ging, sah ich, daß vor uns Mr. Hinchcliffe in seinem großen Buick gemächlich in der Mitte der Straße fuhr. Siegfried setzte zum Überholen an, doch plötzlich streckte der Bauer die Hand heraus und bog nach rechts zu seinem Hof ab – quer über die Fahrbahn. Siegfrieds Fuß trat hart auf die Bremse, aber ohne den geringsten Erfolg. Wir rasten geradewegs auf die Flanke des Buick zu, und es war kein Platz, um nach links auszuweichen.
    Siegfried verlor den Kopf nicht. In letzter Sekunde bog er zusammen mit dem Buick nach rechts ab, und die beiden Wagen ratterten nebeneinander die Zufahrt entlang. Mr. Hinchcliffe starrte mich aus nächster Nähe mit entsetzten Augen an. Er hielt auf dem Hof an, wir aber fuhren weiter.
    Zum Glück konnte man ungehindert um das Haus herumfahren, und so ratterten wir über den hinteren Hof und zurück zur Vorderseite des Hauses, an Mr. Hinchcliffe vorbei, der ausgestiegen war und um die Ecke blickte, um zu sehen, was aus uns geworden war. Er glotzte uns mit offenem Mund an, als wir von der anderen Seite her vorbeifuhren, während Siegfried, der bis zum Schluß kaltes Blut bewahrte, ihm mit einem höflichen Nicken zuwinkte, bevor wir davonsausten.
    Ich sah mich nach Mr. Hinchcliffe um. Er stand immer noch auf demselben Fleck, und eine gewisse Starrheit in seiner Haltung erinnerte mich an den Schäfer.
    Als wir wieder auf der Straße waren, fuhr Siegfried vorsichtig links heran und hielt. Eine Weile blickte er starr geradeaus, ohne zu sprechen, und ich bemerkte, daß es ihm schwerfiel, seinem Gesicht diesen geduldigen Ausdruck zu geben, doch als er sich schließlich mir zuwandte, sah er ganz verklärt aus. Er lächelte wie ein Heiliger, und ich preßte meine Nägel in die Handflächen.
    »Wirklich, James«, sagte er, »ich begreife nicht, weshalb Sie so wichtige Dinge für sich behalten. Der Himmel weiß, wie lange Ihr Wagen schon in diesem Zustand ist, und doch haben Sie kein Sterbenswörtchen gesagt.« Er hob den Zeigefinger, und sein geduldiger Blick wich einem Ausdruck der Schwermut. »Ist Ihnen nicht klar, daß wir um Haaresbreite dem Tod entgangen sind? Sie hätten mir wirklich Bescheid sagen sollen.«

Kapitel 29
     
    Ich verlebte nun schon den zweiten Winter in Darrowby, und daher war ich nicht so erstaunt wie im Vorjahr, als es bereits im November anfing, richtig kalt zu werden. Wenn es in der Ebene regnete, bedeckte sich das Hochland binnen weniger Stunden mit einer Schneeschicht, die sich über die Straße legte, vertraute Geländepunkte verschwinden ließ und aus unserer Welt eine seltsame und unbekannte Landschaft machte. Dies war es, was die Radiosprecher meinten, wenn sie sagten: »Leichte Regenfälle, in den höheren Lagen als Schnee.«
    Wenn es stärker zu schneien begann, hatte das eine lähmende Wirkung auf die ganze Gegend. Die Fahrzeuge krochen mühsam zwischen den Wällen dahin, die von den Schneepflügen aufgeworfen worden waren. Das Herne Fell ragte hinter Darrowby wie ein großer, schimmernder Wal auf, und in der Stadt schaufelten die Leute tiefe Pfade zu den Gartenpforten und räumten die Schneewehen vor ihren Haustüren fort. Sie taten es ohne viel Aufhebens, mit der Ruhe langjähriger Gewohnheit und in dem Bewußtsein, daß sie es am nächsten Morgen wahrscheinlich wieder tun mußten.
    Jeder neue Schneefall war ein Schlag für uns Tierärzte. Wir schafften es zwar, die meisten Besuche zu erledigen, aber es kostete uns viel Mühe und Schweiß. Manchmal hatten wir Glück und konnten hinter einem Schneepflug herfahren; meistens blieben wir jedoch unterwegs stecken und mußten zu Fuß weitergehen.
    An dem Morgen, als Mr. Clayton von Pike House anrief, hatte es die ganze Nacht geschneit.
    »Ein Jungtier hat sich ein bißchen erkältet«, sagte er. »Würden Sie herkommen?«
    Um zu seinem Hof zu gelangen, mußte man zum Pike Edge hinauf- und dann in ein kleines Tal hinunterfahren. Im Sommer war das eine zauberhafte Fahrt, aber jetzt...?
    »Wie ist denn die Straße?« fragte ich.
    »Straße? Straße?« Mr. Claytons Reaktion war typisch. Bauern in schwer zugänglichen Gegenden pflegten derartige Fragen zu bagatellisieren. »Die Straße ist in Ordnung. Wenn Sie ein bißchen aufpassen, kommen Sie ohne Schwierigkeiten durch.«
    Siegfried war nicht so sicher. »Über den Gipfel müssen Sie bestimmt zu Fuß gehen, und ob die Pflüge die untere Straße geräumt haben, ist fraglich. Ich überlasse Ihnen die Entscheidung.«
    »Ach, ich

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