Der Doktor und das liebe Vieh
gefährlich wogende Hemdbrust hinweg an. »Zimmernummer? Ich wohne nicht im Hotel.«
»Ah, also kein Hotelgast.« Er fixierte mich einen Augenblick mit eisigem Blick, bevor er auf seinem Schreibblock mit unnötiger Heftigkeit eine Notiz ausstrich. Nachdem er einem der Kellner irgend etwas zugemurmelt hatte, entfernte er sich.
In diesem Augenblick überkam mich ein Gefühl nahenden Unheils. Die schwarze Wolke über meinem Kopf wurde größer, senkte sich auf mich herab und hüllte mich ein. Der Abend war bisher eine einzige Katastrophe gewesen, und statt besser würde es wohl eher noch schlimmer werden. Ich mußte verrückt gewesen sein, angezogen wie ein Schmierenkomödiant in dieses pompöse Hotel zu kommen. Mir war entsetzlich heiß in dem ›guten‹ Anzug, und der Kragenknopf zwickte mich boshaft in den Hals.
Ich nahm die Speisekarte aus den Händen eines Obers entgegen und versuchte sie mit gekrümmten Fingern zu halten, damit meine schmutzigen Nägel nicht zu sehen waren. Alle Gerichte hatten französische Namen, deren Bedeutung mir in meinem benommenen Zustand größtenteils entging, aber irgendwie brachte ich dann doch eine Bestellung zuwege, und während wir aßen, bemühte ich mich verzweifelt, das Gespräch in Gang zu halten. Es entstanden jedoch immer wieder lange Pausen; anscheinend waren Helen und ich die einzigen, die in diesem von Lachen und Schwatzen erfüllten Raum schwiegen.
Am schlimmsten war die innere Stimme, die mir unablässig zuflüsterte, daß Helen eigentlich gar keine Lust gehabt habe, mit mir auszugehen. Sie sei nur aus Höflichkeit mitgekommen und versuche nun das Beste aus einem langweiligen Abend zu machen.
Auf der Rückfahrt starrten wir geradeaus und wechselten nur gelegentlich ein paar belanglose Worte. Als wir vor dem Hof vorfuhren, hatte ich Kopfschmerzen. Wir schüttelten einander die Hände, und Helen dankte mir für den netten Abend. Ihre Stimme zitterte leicht, und im Mondlicht wirkte ihr Gesicht irgendwie verkrampft. Ich sagte gute Nacht, stieg in den Wagen und fuhr davon.
Kapitel 28
Wären die Bremsen meines Wagens intakt gewesen, so hätte ich sicherlich mit Vergnügen vom Hochmoor auf das Dorf Worten hinabgeblickt. Die alten Häuser, die vereinzelt am Ufer des Flusses standen, bildeten hübsche graue Kleckse auf dem grünen Teppich des Tals, und die kleinen Gärten mit den gepflegten Rasenplätzen verliehen dem kahlen Hang auf der anderen Seite des Dale eine gewisse Sanftheit.
Aber die schöne Szenerie wurde durch den Gedanken verdunkelt, daß ich diese Straße mit ihrem fast senkrechten Gefälle und den beiden gefährlichen S-Kurven hinunterfahren mußte. Denn wie gesagt, ich hatte keine Bremsen.
Natürlich war der Wagen ursprünglich mit einer Vorrichtung ausgestattet gewesen, die ihn zum Halten brachte, und bisher hatte ein heftiger Tritt auf das Pedal die gewünschte Wirkung erzielt, obwohl der Wagen dabei immer ein wenig ins Schleudern geriet. In letzter Zeit war die Reaktion jedoch schwächer geworden, und jetzt tat sich gar nichts mehr.
Natürlich hatte ich Siegfried des öfteren auf den schlechten Zustand des Wagens hingewiesen, und er war sehr teilnahmsvoll auf meine Klagen eingegangen.
»Das ist ja furchtbar, James. Ich werde mit Hammond darüber reden. Überlassen Sie das nur mir.«
Als sich nach ein paar Tagen noch immer nichts rührte, schnitt ich das Thema von neuem an.
»O Gott, ich wollte ja mit Hammond reden. Machen Sie sich keine Sorgen, James, ich kümmere mich darum.«
Schließlich teilte ich ihm mit, daß überhaupt nichts passierte, wenn ich auf das Pedal trat, und daß ich in den ersten Gang gehen mußte, um den Wagen zum Stehen zu bringen.
»Na, so ein Pech, James. Muß lästig für Sie sein. Aber lassen Sie nur, ich erledige das schon.«
Einige Zeit später fragte ich Mr. Hammond, den Mechaniker, ob Siegfried schon mit ihm gesprochen habe, und er sagte nein, stieg aber trotzdem in das Auto und fuhr langsam auf die Straße hinunter. Nach etwa fünfzig Yards blieb der Wagen mit einem Ruck schwankend stehen, und Mr. Hammond stieg aus. Er versuchte erst gar nicht, rückwärts zu fahren, sondern kam mir zu Fuß entgegen. Für gewöhnlich konnte ihn nichts erschüttern, aber jetzt war er ganz blaß und sah mich ungläubig an.
»Wollen Sie mir im Ernst erzählen, daß Sie alle Ihre Besuche in diesem Wagen machen?«
»Ja, gewiß.«
»Dann müßten Sie einen Orden bekommen. Ich würde mich nicht mal trauen, mit dem verdammten Ding
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