Der Dolchstoss
einem Dutzend Büchern. Nicht, daß er viel gelesen hätte.
Selbst wenn man die nicht harmonierenden Farben der Wände, Decken und Bodenfliesen bedachte, strotzten die Räume vor Reichtum. Zu einer anderen Zeit hätte er einen Gigue getanzt. Zu jeder anderen Zeit, wenn er sich nicht bewußt gewesen wäre, daß eine Frau, deren Räume sich auf dem gleichen Gang befanden. Übles mit ihm vorhatte. Wenn Teslyn oder Merilille oder eine der Ihren es nicht, trotz seines Medaillons, zuerst schafften. Warum hatten die Würfel in seinem Kopf aufgehört umherzurollen, sobald Elayne diese verdammten Räume erwähnte? Neugier. Er hatte zu Hause von mehreren Frauen ein Sprichwort gehört, üblicherweise, wenn er etwas getan hatte, was zum damaligen Zeitpunkt ein Spaß zu sein schien. »Menschen lehren Katzen Neugier, aber Katzen haben ihren eigenen Kopf.«
»Ich bin keine verdammte Katze«, murrte er, während er vom Schlafraum ins Wohnzimmer ging. Er mußte es nur einfach wissen. Das war alles.
»Natürlich seid Ihr keine Katze«, sagte Tylin. »Ihr seid ein knuspriges, kleines Entchen.«
Mat zuckte zusammen und sah sie an. Entchen? Und noch dazu ein kleines Entchen! Die Frau reichte ihm knapp bis an die Schulter. Trotz seiner Empörung verneigte er sich angemessen. Sie war die Königin, daran mußte er denken. »Majestät, ich danke Euch für diese wunderschönen Räume. Ich würde mich sehr gern mit Euch unterhalten, aber ich muß gehen und...«
Sie schwebte lächelnd über die rotgrünen Bodenfliesen heran, während ihr blaues Gewand mit den weißen Seidenunterröcken schwang, die dunklen Augen fest auf ihn geheftet. Er vermied es, den sich in ihren üppigen Ausschnitt schmiegenden Hochzeitsdolch zu betrachten. Oder den größeren, mit Edelsteinen besetzten Dolch, der hinter einem gleichermaßen mit Edelsteinen besetzten Gürtel steckte. Er wich zurück.
»Majestät ich habe eine wichtige...«
Sie begann zu summen. Er erkannte die Melodie. Er hatte sie in letzter Zeit verschiedenen Mädchen vorgesummt. Er war klug genug, nicht tatsächlich singen zu wollen, und außerdem war der Text, den sie in Ebou Dar kannten, zu anstößig. In dieser Gegend nannten sie das Lied; »Ich werde dir mit meinen Küssen den Atem rauben«.
Er lachte nervös und versuchte, einen Tisch mit Einlegearbeiten zwischen sich und sie zu bringen, aber irgendwie gelangte sie zuerst darum herum, ohne ihre Schritte beschleunigt zu haben. »Majestät, ich...«
Sie legte eine Hand flach auf seine Brust, drängte ihn in einen hochlehnigen Stuhl und setzte sich auf seinen Schoß. Er war zwischen ihr und den Stuhllehnen gefangen. Oh, er hätte sie hochheben und ganz leicht auf die Füße stellen können. Nur daß sie diesen verdammt großen Dolch am Gürtel trug und er bezweifelte, daß sie eine solch grobe Behandlung genauso gutheißen würde wie ihre grobe Behandlung seiner Person. Dies war immerhin Ebou Dar, wo eine Frau, die einen Mann tötete, von Schuld freigesprochen war, bis sich etwas anderes erwies. Er hätte sie leicht hochheben können, nur...
Er hatte Fischhändler in der Stadt seltsame Meerestiere namens Tintenfisch und Krake verkaufen sehen -tatsächlich aßen Ebou Dari diese Wesen! -, aber sie waren nichts gegen Tylin. Die Frau besaß zehn Hände. Er schlug um sich, versuchte vergeblich, sie abzuwehren, und sie lachte leise. Zwischen Küssen erhob er atemlos Einspruch, daß jemand hereinkommen könnte, doch sie kicherte nur. Er äußerte seinen Respekt vor der Krone, und sie gluckste. Er berief sich auf seine Treue zu einem Mädchen zu Hause, die sein Herz besaß. Darüber lachte sie wahrhaftig.
»Was sie nicht weiß, kann ihr nicht schaden«, murmelte sie, während ihre zwanzig Hände keinen Moment innehielten.
Jemand klopfte an die Tür.
Er befreite seinen Mund und schrie: »Wer ist da?« Nun, es war wahrhaftig ein Schrei. Ein schriller Schrei. Er war immerhin außer Atem.
Tylin war so schnell von seinem Schoß aufgesprungen und hatte sich drei Schritte entfernt, daß es schien, als könne sie zaubern. »Mat? Ich war mir nicht sicher, daß du es warst. Oh, Majestät!« Für einen hageren, alten Gaukler konnte Thom trotz seines Hinkens eine hervorragende Verbeugung vollführen. Juilin konnte es nicht, aber er riß seine lächerliche rote Mütze herunter und tat ebenfalls sein Bestes. »Ich bitte um Vergebung. Wir wollten nicht stören...«, begann Thom, aber Mat unterbrach ihn hastig.
»Komm herein, Thom!« Er zog seine Jacke wieder
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