Der Domino-Killer
Klappmesser tötete er bei seiner Flucht aus dem Bus zwei Vollzugsbeamte. Versteckte sich. Zog herum, wie auch immer er das anstellte. Fand meine Familie, und der Rest ist bekannt.
Wann immer ich jetzt an unseren Rasen dachte, sah ich unwillkürlich sechs Dominosteine, die weithin sichtbar im Gras lagen – die ersten drei Zahlen von Jacksons und Ceces Sozialversicherungsnummern –, tatsächlich allerdings waren die Dominos erst entdeckt worden, als das Gras abgemäht wurde und mein Mann und mein Kind bereits tot waren. JPP hatte uns ‹gewarnt›, seine Art, uns noch eine Chance zu geben, damit wir den Kopf rechtzeitig aus der Schlinge ziehen könnten. Nach seinen Vorstellungen hatte er sich absolut fair verhalten, bevor es kam, wie es kommen musste. Wie er vorging, war dabei von beängstigender Effektivität, er hielt sich genau an seinen vorgefassten Plan. Mein ehemaliger Partner Mac versuchte mich mit allen Mitteln davon zu überzeugen, dass es nicht mein Fehler war, dass wir die Dominosteine nicht rechtzeitig entdeckt hatten. Sie hatten im hohen Gras gelegen. Jackson und ich waren das ganze Wochenende mit Erledigungen beschäftigt gewesen, und so blieb der Rasen ungemäht. Das Schlupfloch, unsere einzige Chance, war uns entgangen. Und dann tauchte JPP eines frühen Morgens auf, nachdem ich zur Arbeit gefahren war und Jackson mit Cece allein im Haus gelassen hatte. Mac hatte mich so verzweifelt zu überzeugen versucht, dass ich unmöglich hätte wissen können, dass die Dominosteine dort lagen und JPP meine Familie zu seinen nächsten Opfern auserkoren hatte. «Du hättest genauso verrückt sein müssen wie er, um darauf zu kommen», sagte er. Aber Mac hatte mich damit nicht trösten können. Jackson war tot. Cece war tot. Und es war meine Schuld.
Ich war nach Brooklyn gezogen, weil die Gegend sich vollkommen von jeder anderen unterschied, in der ich je zuvor gewohnt hatte. Ich versteckte mich dort, wo mich eigentlich jeder sehen konnte; vor allem vor mir, wenn ich ehrlich war, JPP saß ja hinter Gittern und konnte mich nicht mehr verfolgen. Alle fanden die Idee gut. Sich in der Masse zu verlieren schien sicherer, als irgendwo allein auf dem Land vor mich hinzuleiden. Wie hatte er mich gefunden? Ich war erst vor vier Monaten hergezogen und hatte Stunden im Netz und am Telefon zugebracht, um alle Spuren zu beseitigen, die auf meinen neuen Aufenthaltsort hätten hindeuten können. Aber so war JPP: Wenn er jemanden aufspüren wollte, fand er Mittel und Wege.
«Steigen Sie ein», sagte Detective Billy Staples. «Ich habe Anweisung, Sie aufs Revier zu bringen.»
Ich wusste nicht, wie ich das finden sollte: Natürlich war es selbstverständlich, dass man versuchte, mich aus der Gefahrenzone zu schaffen, und trotzdem wollte ich nicht mit. Das hatte ich alles schon hinter mir. Die Polizei mochte ja ihr Möglichstes tun, um mir die Haut zu retten, aber jener Teil, der in Wahrheit der Rettung bedurfte – mein Herz und meine Seele –, war ganz allein mein Problem. Genau daran arbeitete ich nun seit Monaten rund um die Uhr, war ausschließlich damit beschäftigt, auch die «kleinen Freuden des Lebens» wieder zu erkennen, wie Joyce es ausdrücken würde. Sie hatte gar nicht erst davon geredet, dass ich Freude «empfinden» oder gar «glücklich sein» sollte, weil ich so weit noch lange nicht war. Ich versuchte bisher einfach, nicht zusammenzubrechen, und ich hatte gelernt, dass ich dafür schon selbst sorgen musste. Wenn ich jetzt ein Polizeirevier betrat oder sonst irgendwohin ging, wo mich alles und jedes an mein altes Leben erinnerte – das Leben, das mich genau an diesen Punkt gebracht hatte –, wäre das zu viel für mich, glaubte ich. Ich brauchte meine Ruhe und meine Wohnung, im Augenblick zumindest.
«Kann ich auch ablehnen?»
«Ich wüsste nicht, welche Alternative Sie hätten.»
«Ich bleibe hier.»
«Nein, Karin, Sie müssen mitkommen. Hier sind Sie nicht sicher.»
Was heutzutage noch sicher für mich war, durfte durchaus als diskussionswürdig gelten. «Ich glaube nicht, dass Sie das Recht haben, mich zu zwingen, Detective Staples.»
Er schob die Hände in die Hosentaschen und starrte mich an. Auch er hatte Jeans an, nur waren seine sauber. «Okay», sagte er. «Wie Sie wollen. Aber wir postieren uns hier draußen, nur für alle Fälle. Außerdem möchte ich, dass Sie mich sofort anrufen, falls Sie es sich anders überlegen.» Er gab mir seine Karte, glänzende blaue Buchstaben auf weißem
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