Der Domino-Killer
mehr zu verlieren.
Ich wusste, was ich wollte. Ich wollte, dass er mich fand.
Dann wäre all das endlich für immer vorbei.
KAPITEL 2
Früher am Morgen hatte ich eine große Kanne Tee gekocht, ihn mit Honig gesüßt und auf dem Herd zum Abkühlen stehen lassen. Jetzt füllte ich etwas davon in ein Glas voller Eiswürfel und nahm einen kräftigen Schluck. Meine Hände waren noch immer schmutzig; ich hatte mir gar nicht erst die Mühe gemacht, sie zu waschen, da ich gleich wieder nach hinten in den Garten wollte, um die eingepflanzten Blumen zu gießen. Es sollte eine weitere volle Woche nicht regnen, und wenn ich mich nicht mütterlich um sie kümmerte, würden sie bald welk werden. Schon als ich es dachte, fiel mir auf, wie schnell das alles keine Rolle mehr spielen konnte – nicht für die Blumen, sondern für mich. Aber solange ich noch auf dieser Erde wandelte, würde ich mich nicht totstellen, selbst wenn ich mich dazu zwingen musste; darauf hatte Joyce immer wieder gedrängt, und sie hatte recht damit.
Ich trank das Glas leer und schenkte mir wieder ein, dann setzte ich mich an den Küchentisch, um nachzudenken. Vieles von dem, was Joyce und ich in den letzten Monaten besprochen hatten, schwirrte mir durch den Kopf. Tu so, als würdest du wollen. Gib nicht auf. Leb weiter. Der Rest kommt dann von allein . Sie erklärte erst gar nicht groß, was «der Rest» eigentlich sein sollte, wagte es nie, von «Glück» zu sprechen, weil sie wusste, dass ich an meins nicht mehr glaubte. Und ich vermute, ihr war auch bewusst, dass ich mich heimlich noch immer nach dem Tod sehnte. Genau damit musste ich im Moment kämpfen: mit dem andauernden Verlangen, bei Jackson und Cece zu sein, auf der anderen Seite . Tatsächlich stellte ich es mir genau so vor, ein Hier und ein Dort, eine Seite, auf der ich mich befand, und sie auf der anderen, wo ich sie wiederfinden würde, falls es mir nur gelänge, die Zauberwand zwischen uns zu überwinden. Ich wollte fort von hier. Ich wollte weg .
Aber vor sechs Monaten hatte Joyce sich eingeschaltet, hatte meine Familie und Freunde zusammengerufen – meine Eltern, meinen Bruder Jon, seine Frau Andrea, selbst mein alter Partner Mac war dabei gewesen –, und ich hatte geschworen, dass ich zumindest ein Jahr lang nicht versuchen würde mich umzubringen. «Nur ein Jahr», hatte Joyce gesagt und hinzugefügt: «Der Vertrag ist danach natürlich verlängerbar!» Alle hatten bei dem Satz gelacht, und ich liebte sie, war ihnen dankbar, weil sie meinetwegen hergekommen waren, und nahm mir vor, diesen Schwur, den ich ihnen geleistet hatte, nicht zu brechen.
Nur: Was, wenn ich einfach hierblieb und mich von JPP erwischen ließ? Rein technisch gesehen, bedeutete Selbstmord ja, durch die eigene Hand zu sterben, und ich würde doch keinen Finger rühren. Er würde mir die ganze Arbeit abnehmen. Und ich konnte endlich zu Jackson und Cece davonschweben, an den einzigen Ort, an dem ich wirklich sein wollte.
Ich ging zur Spüle und stellte mein leeres Glas ins Waschbecken. Ein Fenster ging hinaus auf den Garten, und ich sah, dass die Sonne in ihrem Zenit stand. Die neuen Blumenstauden welkten bereits. Nun ja, noch war ich hier, und so lange wollte ich nicht in Gleichgültigkeit versinken und mich stattdessen um sie kümmern.
Draußen entwirrte ich den grünen Gartenschlauch, der sich zu einem widerspenstigen Knäuel vor dem Zaun zusammengerollt hatte wie eine Schlange. Während ich die drei Blumenbeete und alle sieben Pflanztöpfe goss, betrachtete ich das Haus und den Garten, die mir noch immer fremd vorkamen und die doch mein Heim waren.
Das braune Versiegelungsmittel auf der hinteren Hauswand schien relativ frisch aufgebracht worden zu sein; echter Sandstein war teuer und deshalb meist den eleganteren Fronten der Häuser vorbehalten, aus denen dieser gesamte Block bestand. Seit ich nach New York gezogen war, hatte ich gelernt, dass ein Block einem einzelnen Quadrat im Straßennetz entsprach, die Häuser schlossen in der Regel nahtlos aneinander an und bildeten so die Außenkanten, und in der Mitte befand sich eine große Fläche für den Innenhof. Das Haus, in dem ich wohnte, hatte drei Stockwerke. Eine Feuertreppe existierte nicht. Im Falle eines Brands oder anderen Notfalls musste man das Gebäude übers Dach betreten oder verlassen. Eine kluge Art zu bauen, wenn man darüber nachdachte. Stadtplanerisch betrachtet, ermöglichte es sowohl kleinere Hausgemeinschaften innerhalb der größeren
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