Der Dominoeffekt
Einer seiner Komplizen schlug entsetzt die Hand vor den Mund und wandte sein Gesicht zur Seite.
Auf dem Pflaster breitete sich ein schwacher Lichtschein aus, in einem Nachbargebäude war jemand wach geworden. Der Maskierte stieß einen saftigen Fluch aus, drückte dem anderen eine Sporttasche in die Hand und rannte zum Führerhaus des Lkw. Zum Glück war auf der Beifahrerseite die Tür noch zugänglich.
In der Ferne erklang erstes Sirenengeheul. Jetzt hieß es schnell handeln.
7
»Um Himmels willen, was ist denn hier los?«
Katharina Thalbach hämmerte ihren Fuß auf das Bremspedal und starrte ungläubig auf die vor ihr liegende Szenerie. Am Ende des Husemannplatzes war zwischen zwei Streifenwagen großzügig Flatterband gespannt worden, hinter der Barriere kreisten unzählige Blaulichter.
Die Kommissarin quetschte ihren Fiesta vor den Eingang des Glascafés und stieg aus. Trotz der frühen Tageszeit hatten sich bereits einige Schaulustige eingefunden, die aufgeregt tuschelnd beieinander standen. Katharina drängte sich an den Gaffern vorbei, nickte einem Uniformierten, der die Menge zurückhielt, zu und schwang sich über die Absperrung.
»Wow, du warst aber schnell hier«, empfing sie Bernd Wielert, Leiter des KK 11 und damit Katharinas Chef. »Benutzt du neuerdings einen Helikopter?«
»Quatsch«, schmunzelte die Blonde. »Du solltest mal an einem unserer Fahrsicherheitstrainings teilnehmen, dann schaffst du das in der gleichen Zeit wie ich. Ist sonst schon jemand hier?«
»Berthold wird bestimmt bald eintreffen, Karl Heinz hab ich nicht erreicht.«
Katharina zog die Brauen hoch. »Ist der schon wieder im Dienst? Ich dachte, die sind noch in den Flitterwochen.«
»Seit heute nicht mehr.« Wielert schüttelte den Kopf.
Katharina griff nach einer Zigarette, überlegte einen Moment und zog den Glimmstängel schließlich doch hervor. Eigentlich war es ja bei Androhung von sechs Wochen Innendienst verpönt, an einem Tatort zu rauchen, aber immerhin befanden sie sich auf der Haupteinkaufsstraße Bochums. Eine Kippe mehr konnte eigentlich keinen Schaden anrichten.
»Was ist denn genau passiert?«, fragte sie, als die ersten Rauchzeichen in den Himmel stiegen.
»Soweit ich informiert bin, haben ein paar clevere Jungs versucht, den Juwelier zu knacken. Eigentlich sollte das nicht möglich sein, aber die haben sich einen Lkw besorgt, die Ladeklappe verstärkt und damit das Panzerglas geknackt.«
Katharina verzog verärgert das Gesicht. »Und dann ruft man uns? Ist doch ein Fall für die Kollegen vom Raub.«
»Im Prinzip ja, die Kollegen sind ja auch schon vor Ort. Aber etwas ist schief gelaufen. Sieh mal da vorn.«
»Wo?«
»Direkt gegenüber von C&A.«
Katharina setzte sich langsam in Bewegung, Wielert folgte ihr mit einem Schritt Abstand. Den Lastwagen in der Häuserfront hatte sie natürlich sofort gesehen, die graue Wolldecke, die mitten in einem Schaufenster lag, allerdings nicht.
»Ist es das, wofür ich es halte?«
»Leider«, nickte Wielert. »Ich hoffe, du hast noch nicht gefrühstückt.«
Katharina machte sich lang und lupfte vorsichtig ein Ende der Decke an. »Allmächtiger«, entfuhr es ihr.
»Kein schöner Anblick, ich weiß.«
»Weiß man schon, wer das ist?«
»Der Mitarbeiter eines privaten Wachdienstes. Wir brauchen schweres Gerät, um den Lkw aus dem Kaufhaus zu ziehen.«
»Gibt es Zeugen?«
»Nein. Einer der Anwohner ist zwar von dem Getöse auf der Straße wach geworden und hat sofort die Notrufnummer gewählt, aber als er dann aus dem Fenster geschaut hat, war kein Mensch mehr zu sehen. Als die Scheibe des Juweliers zu Bruch ging, wurde natürlich sofort Alarm ausgelöst, unsere Kollegen waren etwa zwei Minuten nach der Meldung hier, ein Streifenwagen befand sich zufällig in der Nähe. Sie haben noch beobachtet, wie eine Limousine mit sehr hoher Geschwindigkeit davongefahren ist, aber sie haben sie nicht mehr erwischt.«
»Läuft die Fahndung?«
»Natürlich.«
Die beiden Beamten verzogen sich wieder an ihren ursprünglichen Ausgangsort und sahen interessiert in die Runde. Die Kriminaltechnik nahm jeden Zentimeter unter die Lupe, die Szenerie wurde aus allen erdenklichen Perspektiven fotografiert. Schließlich löste sich ein groß gewachsener Mittfünfziger aus einem Pulk von Zivilbeamten und kam auf Katharina und Wielert zu.
»Grüßt euch«, nickte der Riese schon auf fünf Meter Entfernung. »Schöne Bescherung, was?«
»Das kannst du wohl laut sagen«,
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