Der Dominoeffekt
entgegnete Wielert und hielt dem Kollegen die Rechte hin. Bernd Wilde leitete schon seit ewigen Zeiten die Abteilung für Eigentumsdelikte, die alles vom einfachen Diebstahl bis zum schweren Raub bearbeitete.
»Man soll es einfach nicht für möglich halten«, dozierte Wilde mit dröhnendem Bass, der so gar nicht zu seinem hageren Körper passen wollte. »Da sichert sich der Juwelier mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen einen Einbruch ab und dann reicht doch brachiale Gewalt, um die Technik zu überlisten. Guckt euch das mal an. Panzerglas schützt nicht, versenkbare Stahlpolier schützen nicht… Was sollen wir denn noch empfehlen?«
»Kann es sein, dass du den Bruch persönlich nimmst?«, erkundigte sich Wielert.
»Irgendwann hat man einfach keine Lust mehr. Auf die Idee mit dem Lkw musst du erst mal kommen. Vor ein paar Jahren ist der Laden schon mal ausgeräumt worden, danach erfolgte dieser Umbau. Und wieder alles umsonst.«
»Kommt euch die Masche bekannt vor?«, fragte Katharina.
»Bei uns in der Ecke hat es bisher noch keinen solchen Bruch gegeben. Aber neu ist die Methode trotzdem nicht.«
»Erzähl«, bat Wielert.
»Das BKA ist anscheinend hinter einer Bande her, die bundesweit für solche Sachen bekannt ist. Vor ein paar Wochen haben wir eine Info gekriegt, dass in Kassel auf ähnliche Art und Weise ein Juwelier ausgeraubt worden ist.«
»Betrifft das immer nur Juweliere?«
»Bisher weiß niemand von uns etwas Konkretes, das BKA hat uns gegenüber nicht alle Karten aufgedeckt. Aber wenn sich die Bundesbeamten um solche Sachen kümmern, steckt mit Sicherheit wesentlich mehr dahinter.«
»Also organisierte Kriminalität«, schloss Katharina. »Hat es schon mal einen Todesfall gegeben?«
»Wohl nicht, scheint mir auch eher ein Unfall zu sein, das mit dem Wachmann. Ich habe schon mit dem Schichtleiter dieser Firma telefoniert, die mussten ihre Leute letzte Nacht umorganisieren, weil einer wegen Krankheit ausgefallen ist. Normalerweise wäre die Tour über die Kortumstraße zum Zeitpunkt des Einbruchs längst durch gewesen.«
»Dann war der arme Kerl zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Sieht alles danach aus«, stimmte Katharina zu. »Aber mich wundert, warum der Wachmann aus seinem Wagen gestiegen ist, anstatt sofort über Funk oder Handy Alarm zu geben.«
»Vielleicht hat er die Situation falsch eingeschätzt«, vermutete Wilde.
»Dann erklär mir, was man an einem Lkw, dessen Heckklappe in der Schaufensterauslage eines Nobeljuweliers parkt, missverstehen kann«, sagte Wielert.
»Schon gut, war eine blöde Bemerkung.«
Wielert nickte leicht. »Hast du das BKA schon über den Bruch informiert?«
»Natürlich, ich will mir doch keinen Rüffel einfangen. Ich hab zwar noch keine Rückmeldung, aber ich schätze, noch vor Mittag ist jemand aus Wiesbaden da.«
»Na dann viel Spaß«, grinste Katharina. Sie hatte selbst oft genug mit den Supermännern der Bundespolizei zu tun gehabt, um die Arroganz der Kollegen nicht zu mögen.
»Was meint denn ihr, wie ist das abgelaufen?«, fragte Wilde.
»Das mit dem Toten?«, meinte Wielert. »Schwer zu sagen. Wenn der während seiner Streife hier vorbeikam und den Bruch beobachtet hat, gab es wirklich keinen Grund für ihn, den Wagen zu verlassen und sich in Gefahr zu begeben. Hatte der Wachmann seine Zentrale informiert?«
»Nein.«
»Merkwürdig. Er registriert den Einbruch und verlässt dennoch seinen Wagen. Ihm muss eigentlich klar gewesen sein, dass er im schlimmsten Fall mit seinem Leben spielt.«
»Manche Leute reagieren in Stresssituationen widersinnig«, gab Wilde zu bedenken.
»Oder er wusste genau, was los war, und wollte sich davon überzeugen, dass alles glatt lief«, schlug Katharina vor.
»Wie meinst du das?«, fragte Wielert.
»Kann doch sein, dass er den Gangstern Tipps gegeben hat. Zum Beispiel, wann am wenigsten los ist oder wann die Touren der Sicherheitsfirma hier vorbeigingen. Aus welcher Richtung ist er gekommen?«
»Von der Sparkasse her, zumindest war sein Wagen so abgestellt.«
»Also ist er direkt auf den Juwelier zugefahren. Um die Zeit war es zwar noch fast stockfinster, aber die Schaufenster- und Straßenbeleuchtung gab genug Licht. Der Wachmann hätte genug erkennen können müssen.«
»Hm«, machte Wilde. »Und als die Bande die Beute verstaut hatte, wollten sie den lästigen Mitwisser beseitigen.«
»Denkbar ist das«, nickte Wielert. »Wir werden diesen Wachmann gründlich unter die Lupe
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