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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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natürlich nicht vergewissern müssen, er hatte die Abläufe und Kontrollzeiten im Kopf. Aber auf außerplanmäßigen Sondertouren schadete es nicht, hin und wieder zu prüfen, ob man im Plan war oder nicht.
    Als Nächstes war die ›Einkaufsfahrt‹ über die Kortumstraße dran, das Sicherheitsunternehmen hatte etliche Auftraggeber, die Objekte auf der Shoppingmeile besaßen. Der Wachmann setzte den Blinker nach rechts, bog von der Massenbergstraße in die Schützenbahn ein und rollte im Schritttempo an der Sparkasse vorbei. Kaludzinsky beobachtete aufmerksam seine Umgebung. Einerseits kontrollierte er mit geschultem Blick die Fassadenfronten, andererseits musste er normalerweise damit rechnen, dass ihm irgendwelche Betrunkenen vor den Wagen liefen. Aber heute herrschte in dem Viertel tote Hose.
    Hinter der Sparkasse bog er nach links ab, schwenkte in die Harmoniestraße ein und kniff überrascht die Augen zusammen. Zwei mächtige Scheinwerfer sendeten grelles Licht in seine Richtung, spontan klappte er die Sonnenblende seines Wagens nach unten. Diese armen Schweine von Lieferanten hatten noch erbärmlichere Arbeitszeiten als er selbst… ‘ne komplette Nachtschicht war okay, aber morgens um halb zwei aufstehen zu müssen, um pünktlich am Großmarkt zu sein oder irgendwo am Arsch der Welt Ware aufnehmen zu müssen, nein danke, das war nichts für ihn.
    Irgendetwas war nicht in Ordnung, aber Kaludzinsky kam nicht darauf, was. Durch das geöffnete Seitenfenster hörte er den Motor des Lkw, trotzdem bewegte sich der Koloss keinen Zentimeter. Hatte sich der Typ vielleicht verfranzt? Ein Supermarkt, den er hätte beliefern können, war in dieser Höhe der Kortumstraße eh nicht zu finden, die Boutiquen und anderen kleinen Läden wurden erst kurz vor oder nach der Öffnung beliefert.
    Er ließ seinen Wagen ausrollen, schnappte sich die Taschenlampe vom Beifahrersitz und öffnete die Tür. Vielleicht konnte er dem Kollegen ja behilflich sein. Zumindest war es eine kleine Abwechslung in dieser blöden Routine.
    Kaludzinsky hob die Hand, um dem Lkw-Fahrer, dessen dunkles Gesicht er oberhalb der starken Scheinwerfer nur erahnen konnte, zuzuwinken, doch seine Bewegung erstarb schon im Ansatz. Aus den Augenwinkeln hatte er den Benz bemerkt, der mit laufendem Motor auf seine Besatzung wartete.
    Der Wachmann runzelte die Stirn. Was sollte das alles?
    Plötzlich vernahm er neben den Motorengeräuschen Stimmen. Kaludzinskys Oberkörper ruckte vor, augenblicklich wurde ihm klar, dass er die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte. Denn hinter dem Lkw erschien eine maskierte Gestalt, die verdutzt stehen blieb.
    Der Glatzköpfige schrak zusammen. Ein weiterer Schreck durchfuhr ihn, als sein Blick auf den silbrigen Lauf der Waffe fiel, dann endlich konnte er seine Beine wieder bewegen. Der Bug des Lkw gab ihm Deckung, wie ein Wiesel drehte er sich um und rannte auf seinen eigenen Wagen zu. Warum, verdammt nochmal, hatte er ihn überhaupt verlassen?
    In diesem Moment brüllte der Diesel ohrenbetäubend auf. Der Lkw schoss nach vorn, begleitet von einem erbärmlichen Kreischen der Hinterachse, die irgendetwas abbekommen haben musste. Trotzdem nahm das Gefährt unbeirrt Geschwindigkeit auf.
    Kaludzinsky drehte den Kopf, sein Gesicht verzog sich zu einer ängstlichen Fratze. Der Bug des Lkws war höchstens noch vier Meter entfernt, die Scheinwerfer frästen einen grellen Lichtkegel um ihn. Keuchend vor Anstrengung beschleunigte Kaludzinsky seine Schritte, schlug einen Haken, um das Unvermeidliche doch noch abzuwenden. Aber in seiner Verwirrung lief er genau auf die Fassade des nächsten Ladens zu und grenzte seinen Bewegungsspielraum so selbst ein.
    Als der Wachmann seinen Irrtum bemerkte, war es längst zu spät. Voller Panik streckte er die Arme aus, um sich an der Schaufensterscheibe, in der sich der heranrollende Koloss spiegelte, abzustützen. Dann traf ihn die Front des Lasters in den Rücken und quetschte ihn an das Sicherheitsglas.
    Das Letzte, was Jörn Kaludzinsky in seinem Leben hörte, war das Krachen und Splittern der Scheibe. Als der Lkw mit ihm als neuer Kühlerfigur das Glas durchbrach, war er bereits tot.
    Der Maskierte ließ die Hand mit der Pistole sinken und starrte mit offenem Mund auf die Szene. Der Körper des Wachmanns lag mitten in den Auslagen des Geschäftes, die Gliedmaßen unnatürlich verrenkt, unter dem Rumpf und dem Kopf breitete sich eine Blutlache aus. Neben sich hörte der Maskierte ein Würgen.

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