Der Dorfpfarrer (German Edition)
Jahren in einen Laden gesteckt wurde, befindet sich mit sechsundzwanzig Jahren nicht auf dem Wege zu einem unabhängigen Vermögen? Damals erfuhr ich, worauf diese schrecklichen Entwicklungen der Intelligenz, diese riesigen, vom Staate geforderten Anstrengungen hinausliefen! Der Staat ließ mich Straßen oder Kieshaufen auf den Wegen abschätzen und ausmessen. Ich hatte Einfassungen, einbogige Brücken zu unterhalten, zu reparieren und manchmal auch zu konstruieren, Fußsteige regulieren zu lassen, für Gräben zu sorgen und sie wohl auch offenzuhalten! Im Arbeitszimmer hatte ich Fragen über Abmessungen oder Bepflanzungen und über Holzfällen zu beantworten. Tatsächlich sind das die Haupt- und oft einzigen Beschäftigungen gewöhnlicher Ingenieure; dazu kommen von Zeit zu Zeit noch einige Nivellierungsarbeiten, die wir selber gezwungen sind zu machen, und die der geringste unserer Aufseher mit seiner praktischen Erfahrung allein stets viel besser als wir trotz unserer ganzen Weisheit erledigt. Wir sind fast vierhundert gewöhnliche Ingenieure oder Ingenieurschüler, und da es nur hundert und einige Chefingenieure gibt, so können nicht alle gewöhnlichen Ingenieure zu diesem höheren Range aufsteigen, über dem Chefingenieur gibt es übrigens keine aufsaugende Rangstufe; denn als Aufsaugungsmittel kann man die zwölf oder fünfzehn General- oder Divisionsinspektorstellen nicht rechnen, Posten, die in unserer Zeit fast ebenso zwecklos sind, wie die der Obersten bei der Artillerie, wo die Batterie die Einheit ist. Der gewöhnliche Ingenieur, ebenso der Artilleriehauptmann beherrscht die ganze Wissenschaft, über sich dürfte er nur einen Administrationschef haben, um die sechsundachtzig Staatsingenieure miteinander zu verbinden; denn ein einziger, von zwei Aspiranten unterstützter Ingenieur genügt für eine Provinz. Die Hierarchie in solchen Korps bewirkt, daß die aktiven Köpfe alten, bereits erloschenen Kapazitäten untergeordnet werden, die gewöhnlich im Glauben, das Beste zu tun, die ihnen unterstellten Kräfte vielleicht mit dem einzigen Zwecke, die eigene Existenz nicht in Frage gestellt zu sehen, beeinträchtigen oder entarten lassen; denn das scheint mir der einzige Einfluß zu sein, den der Hauptverwaltungsrat für Straßen- und Brückenbau in Frankreich ausübt. Nehmen wir nichtsdestoweniger an, daß ich zwischen dreißig und vierzig Jahren Ingenieur erster Klasse und vor dem fünfzigsten Lebensjahre Chefingenieur bin. Ach, ich sehe meine Zukunft, sie steht vor meinen Augen geschrieben. Mein Chefingenieur ist sechzig Jahre alt, wie ich ist er mit Ehren aus dieser berühmten polytechnischen Schule hervorgegangen; mit dem, was ich tue, ist er grau, ist der gewöhnlichste Mensch, den man sich denken kann, geworden, aus all der Höhe, zu der er sich erhoben hatte, ist er hinuntergestürzt; ja mehr noch, er steht nicht mehr auf dem Niveau der Wissenschaft; die Wissenschaft ist weitergegangen, er ist stehengeblieben, ja mehr noch, hat vergessen, was er wußte! Der Mann, welcher sich mit zweiundzwanzig Jahren mit allen Symptomen der Ueberlegenheit sehen ließ, besitzt heute nur noch deren Anschein. Anfangs, wo er sich hauptsächlich nur den exakten Wissenschaften und der Mathematik zugewandt, hat er alles vernachlässigt, was nicht in sein »Fach« schlug. So können Sie sich denn keinen Begriff davon machen, bis zu welchem Grade seine Nichtigkeit in den anderen Zweigen menschlicher Erkenntnisse reicht. Rechnen hat ihm Herz und Hirn ausgetrocknet. Nur Ihnen wage ich das Geheimnis seiner Nichtigkeit, die durch den Ruf der polytechnischen Schule gedeckt wird, anzuvertrauen. Diese Etikette imponiert, und im guten Glauben des Vorurteils wagt kein Mensch seine Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen. Ihnen allein will ich sagen, daß der gänzliche Verlust seiner Talente ihn dahin gebracht hat, in einer einzigen Angelegenheit die Provinz eine Million statt zweimalhunderttausend Franken ausgeben zu lassen. Ich wollte protestieren, den Präfekten aufklären, doch ein mir befreundeter Ingenieur hat mir einen unserer Kameraden genannt, der um einer derartigen Sache willen der Sündenbock der Verwaltung geworden ist. »Würdest du sehr froh sein, falls dir, wenn du einmal Chefingenieur bist, von einem Untergebenen derartige Fehler nachgewiesen werden?« sagte er zu mir. »Dein Chefingenieur wird Divisionsinspektor werden. Sobald einer von uns einen dummen Fehler macht, entfernt ihn die Verwaltung, die nie unrecht haben darf,
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