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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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denn Sie werden aus seinem Briefe ersehen, daß Wohltaten nicht auf gut Glück erwiesen werden dürfen. Was am meisten auf dieser Welt überlegt sein will, ist eine gute Handlung. Man weiß nie, ob, was uns als gut erschien, später kein Uebel ist. Wohltat erweisen, das weiß ich heute, heißt, sich ein Schicksal schaffen!«
    Als Madame Graslin diese Phrase las, ließ sie die Briefe fallen und verweilte einige Augenblicke über in Nachdenken.
    »Mein Gott,« sagte sie, »wann wirst du aufhören, mich mit allen Händen zu schlagen?«
    Dann nahm sie die Blätter wieder und fuhr fort:
    »Gérard scheint mir einen kühlen Kopf und ein heißes Herz zu besitzen, und ist ganz gewiß der Mensch, den Sie nötig haben. Paris müht sich in diesem Augenblicke mit neuen Doktrinen ab, ich würde entzückt sein, wenn dieser Junge nicht in die Schlingen geriete, welche ehrgeizige Gemüter den Instinkten der edelmütigen französischen Jugend legen. Wenn ich das ziemlich stumpfsinnig machende Provinzleben nicht ganz billige, so kann ich jenes leidenschaftliche Pariser Leben, jene Glut der Erneuerung, welche die Jugend auf neue Wege treibt, ebensowenig billigen. Sie allein kennen meine Ansichten; nach mir dreht sich die moralische Welt wie die materielle Welt um sich selbst. Mein armer Schützling fordert unmögliche Dinge. Keine Macht wird vor so gebieterischen, so heftigen und absoluten Ehrgeizregungen standhalten. Ich bin ein Freund der Alltäglichkeit, der Langsamkeit in Politicis, und liebe die sozialen Umzüge, die uns all diese großen Geister aufpacken, wenig. Ich vertraue Ihnen meine Grundsätze, die eines monarchischen und verknöcherten Greises an, weil Sie verschwiegen sind! Hier bin ich still inmitten der braven Leute, die je mehr sie sich in der Tiefe befinden, desto mehr an den Fortschritt glauben; leide aber, wenn ich die unserm teuern Lande bereits zugefügten, nicht wieder gutzumachende Fehler sehe.
    Ich habe dem jungen Manne also geantwortet, daß eine seiner würdige Aufgabe seiner harre. Er wird Sie besuchen, und obwohl sein Brief, den ich dem meinigen beifüge, Ihnen erlaubt, ihn zu beurteilen, werden Sie ihn doch noch studieren, nicht wahr? Beim Sehen der Männer erraten die Frauen ja sehr viele Dinge. Uebrigens müssen Ihnen die Männer, selbst die gleichgültigsten, derer Sie sich bedienen, gefallen. Wenn er Ihnen nicht zusagt, können Sie ihn zurückweisen; wenn er Ihnen aber zusagt, liebes Kind, so heilen Sie ihn doch von seinem schlecht verhehlten Ehrgeize, lassen Sie ihn es mit dem glücklichen und geruhsamen Landleben halten, wo die Wohltätigkeit immer zu Hause ist, wo sich die guten Eigenschaften großer und starker Seelen ständig üben können, wo man tagtäglich in den Naturproduktionen Gründe zur Bewunderung, und in den Fortschritten, in den wirklichen Verbesserungen eine des Menschen würdige Beschäftigung findet. Nur zu gut weiß ich, daß große Gedanken große Handlungen erzeugen, doch da diese Arten Ideen sehr selten sind, finde ich, daß Dinge gewöhnlich mehr taugen als Ideen. Wer einen Erdwinkel fruchtbar macht, wer einen Obstbaum vervollkommnet, wer ein undankbares Terrain mit Gras überzieht, steht hoch über denen, die Formeln für die Humanität suchen. In was hat Newtons Wissen das Los der Landbewohner verändert? Oh, meine Teure, ich liebte Sie; heute, wo ich gut verstehe, was Sie versuchen wollen, bete ich Sie an. Kein Mensch in Limoges hat Sie vergessen, man bewundert Ihren großen Entschluß, Montégnac verbessern zu wollen. Wissen Sie uns ein wenig Dank, daß wir so verständig sind, zu bewundern, was schön ist, ohne zu vergessen, daß der erste Ihrer Anbeter auch Ihr erster Freund ist.
    F. Grossetête. «
    Gérard an Grossetête.
    »Ich muß Ihnen traurige Geständnisse ablegen, mein Herr; aber Sie sind wie ein Vater zu mir gewesen, als Sie nur ein Beschützer sein konnten. Vor Ihnen allein, Ihnen, der Sie mich zu all dem gemacht haben, was ich bin, kann ich sie ablegen. Ich bin von einer grausamen Krankheit ergriffen worden, einer moralischen Krankheit übrigens, ich habe in der Seele Gefühle und im Geiste Neigungen, die mich gänzlich unbrauchbar machen für das, was der Staat oder die Gesellschaft von mir wollen. Das wird Ihnen vielleicht als ein Akt der Undankbarkeit erscheinen, während es ganz einfach ein Anklageakt ist. Als ich zwölf Jahre alt war, haben Sie, mein edelmütiger Pate, bei dem Sohne eines einfachen Arbeiters eine gewisse Befähigung für die exakten

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