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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aufgeführte Pfarrhaus hatte einen Stock, der von einem weitausladenden hohen Dache mit zwei Giebeln überragt wurde, unter dem sich geräumige, nach dem Zustande zu schließen, zweifelsohne leere Speicher hinzogen. Das Erdgeschoß bestand aus zwei Zimmern, die durch einen Korridor getrennt wurden, in dessen Hintergrunde eine Holztreppe war, auf der man in den ersten Stock stieg, der sich gleichfalls aus zwei Räumen zusammensetzte. Eine kleine Küche war an dies Gebäude auf der Hofseite angelehnt, wo man einen Pferdestall und einen Kuhstall sah, beide völlig leer, zwecklos, aufgegeben. Der Gemüsegarten trennte das Haus von der Kirche. Eine zerfallene Galerie führte vom Pfarrhof in die Sakristei. Als der junge Abbé die vier bleigefaßten Fenster, die braunen und moosigen Mauern und die rohe Holztür des Pfarrhauses sah, die rissig war wie ein Paket Streichhölzer, war er weit davon entfernt, durch die anbetungswürdige Naivität dieser Einzelheiten, durch die Anmut der Vegetation, welche die Dächer, die verfaulten, hölzernen Fensterbrüstungen und die Ritzen schmückte, aus denen üppige Schlinggewächse wucherten, durch die gezogenen Weinstöcke, deren gabelige Ranken und Träubchen in die Fenster hingen, wie um heitere Gedanken hineinzutragen, gefesselt zu sein, sondern fühlte sich sehr glücklich, später einmal wahrscheinlich Bischof zu sein statt Dorfpfarrer. Das immer offene Haus schien allen Leuten zu gehören. Abbé Gabriel trat in den Saal, der mit der Küche in Verbindung stand, und sah dort einen ärmlichen Hausrat: einen Tisch mit vier gedrehten Säulen aus alter Eiche, einen Sessel mit Stickereibezug, Stühle ganz aus Holz, eine Truhe als Anrichte. Niemand, außer einer Katze, die eine Frau in der Wohnung vermuten ließ, war in der Küche. Der andere Raum diente als Besuchszimmer. Die Täfelung und die Deckenbalken bestanden aus ebenholzschwarzem Kastanienholz. Dort gab's eine Uhr in einem blumenbemalten Kasten, einen mit einem abgenutzten grünen Teppich bedeckten Tisch, einige Stühle, und auf dem Kamin zwei Leuchter, zwischen denen ein wächsernes Jesuskind unter einem Glassturze stand. Der mit plumpen Holzschnitzereien bekleidete Kamin war hinter einem papierenen Ofenschirm versteckt, auf dem der gute Hirte mit seinem Lamm auf der Schulter dargestellt worden war, zweifelsohne ein Geschenk, durch das die Bürgermeister- oder Friedensrichtertochter die ihrer Erziehung gewidmete Sorgfalt dankbar hatte anerkennen wollen. Der klägliche Zustand des Hauses war peinlich anzusehen; die ehemals mit Kalk geweißten Mauern waren stellenweise entfärbt und in Manneshöhe durch Scheuern grau. Die Treppe mit dicken Geländerdocken und hölzernen, aber doch sauber gehaltenen Stufen, schien unter den Füßen beben zu müssen. Im Hintergrunde, der Eingangstür gegenüber, erlaubte eine andere nach dem Gemüsegarten sich öffnende Tür dem Abbé de Rastignac die geringe Tiefe dieses Gartens zu ermessen. Er war eingeschachtelt wie in eine in den weißlichen und leichtbröckelnden Stein des Gebirges eingeschnittene Befestigungsmauer, die reiche Spaliere, schlecht gehaltene Weingeländer bekleideten, deren sämtliche Blätter von Aussatz zerfressen waren. Er kehrte um, ging auf und ab in den Alleen des ersten Gartens, von wo aus sich seinen Augen über das Dorf hinaus der köstliche Anblick des Tales eröffnete, eine wirkliche Oase, an dem Rande unendlicher Ebenen gelegen, die durch leichte Morgennebel verschleiert, einem ruhigen Meere glichen.
    Im Rücken erblickte man auf einer Seite die weiten dunkelschattierten Gegenstellungen des bronzefarbnen Waldes; auf der anderen die Kirche und die auf dem Felsen sich brüstenden Schloßruinen, welche sich aber lebhaft von dem Blau des Aethers abhoben. Indem er unter den Schritten den Sand der kleinen, stern-, kreis- und rautenförmig gezogenen Wege knirschen machte, überschaute Abbé Gabriel nach und nach das ganze Dorf, dessen in Gruppen zusammenstehende Bewohner ihn bereits prüfend ansahen, dann das frische Tal mit seinen Dornenwegen und seinen weidenbestandenen Fluß, das einen so großen Gegensatz zu der Unendlichkeit der Flächen bildete.
    Da wurde er von Empfindungen überströmt, welche die Natur seiner Gedanken änderten, er bewunderte die Ruhe der Orte, er wurde dem Einflüsse dieser reinen Luft und dem Frieden unterworfen, den die Offenbarung eines auf die biblische Einfachheit zurückgeführten Lebens einflößte. Undeutlich mutmaßte er die Schönheiten

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