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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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dieser Pfarrei, in die er wieder hineinging, um die Einzelheiten mit einer ernsthaften Neugier zu betrachten. Ein kleines, zweifelsohne mit der Beaufsichtigung des Hauses betrautes Mädchen, das aber damit beschäftigt war, im Garten zu naschen, hörte auf den großen Fliesen, mit denen die beiden unteren Räume belegt waren, die Schritte eines Mannes in knarrenden Stiefeln: sie kam. In ihrer Scheu, mit einer Frucht in der Hand, einer anderen zwischen den Zähnen überrascht worden zu sein, antwortete sie nicht auf die Fragen des schönen, jungen und artigen Abbés. Nimmer hätte die Kleine geglaubt, daß es einen derartigen Abbé geben könnte, dessen Batistwäsche blendete, der wie geleckt aussah und in schönes flecken- und faltenloses schwarzes Tuch gekleidet war. »Monsieur Bonnet?« sagte sie schließlich. »Monsieur Bonnet liest die Messe und Mademoiselle Ursule ist in der Kirche.«
    Der Abbé Gabriel hatte die Galerie noch nicht gesehen, die das Pfarrhaus mit der Kirche verband; er ging auf den Pfad zurück, um von dort aus durchs Hauptportal einzutreten. Diese Art Portikus mit Schutzdach blickte auf das Dorf; man gelangte auf steinernen,, schlechtgefegten und abgenutzten Stufen hinein, die einen durch Gewässer ausgewaschenen und mit jenen hohen Ulmen bestandenen Platz beherrschten, deren Pflanzung von dem Protestanten Sully befohlen worden war. Die Kirche, eine der armseligsten Frankreichs, wo es doch sehr viele armselige gibt, glich jenen Riesenspeichern, die über ihrer Tür ein vorragendes Dach haben, das von Holz- oder Ziegelpfeilern gestützt wird. Wie das Pfarrhaus aus Feldstein und Mörtel aufgeführt, von einem viereckigen Glockenturm ohne Spitze und mit dicken runden Ziegeln bedeckt flankiert, hatte die Kirche als äußeren Schmuck die reichsten Schöpfungen der Skulptur, die aber von Licht und Schatten bereichert, von der Natur, die sich ebensogut darauf verstand wie Michelangelo, hervorgehoben, gruppiert und gefärbt worden waren.
    Von zwei Seiten umspannte der Efeu die Mauern mit seinen nervigen Zweigen, indem er durch sein Blattwerk ebensoviele Adern zeichnete, wie sich auf einer Muskelfigur befinden. Dieser Mantel, von der Zeit angelegt, um die Wunden zu bedecken, die sie geschlagen hatte, war durch die Herbstblumen buntfarbig gemacht, die in den Spalten wuchsen und gewährte den Singvögeln ein Asyl. Das Rosettenfenster über dem Schutzdache der Vorhalle war wie die erste Seite eines reichgemalten Missales, von Glockenblumen eingehüllt. Die mit dem Pfarrhause zusammenhängende Nordseite war weniger beblümt. Die Mauer blickte dort grau und rot durch große Steilen, wo sich Moosmassen ausbreiteten. Die andere Seite aber und die Chorhaube, die vom Friedhof umgeben waren, zeigten üppige und manigfaltige Blumenflächen. Einige Bäume, darunter ein Mandelbaum, eins der Embleme der Hoffnung, hatten sich in den Spalten eingenistet. Zwei riesige, an die Chorhaube angeschmiegte Pinien dienten als Blitzableiter. Der Kirchhof war von einer kleinen zerfallenen Mauer umgeben, die ihre eigenen Trümmer in Brusthöhe zusammenhielten, und hatte ein auf einem Sockel errichtetes Eisenkreuz als Zierde, das mit Buchs geschmückt worden war, der in einem jener rührenden, in der Stadt vergessenen christlichen Gedanken zu Ostern geweiht worden sein mochte. Der Dorfpfarrer ist der einzige Priester, der zu seinen Toten am Tage der österlichen Wiederauferstehung sagt: Ihr werdet glücklich von neuem leben. Hier und da ragten einige verfaulte Kreuze aus den grasbedeckten Hügeln.
    Das Innere stand in vollem Einklange mit der poetischen Vernachlässigung dieses bescheidenen Aeußeren, dessen Luxus durch die einmal barmherzige Zeit zugestanden worden war. Inwendig heftete sich das Auge zuerst auf die Bedachung, die immer mit Kastanienholz verschalt war, dem das Alter die reichsten Töne der alten Hölzer Europas gegeben hatte, und die in gleichen Abständen kräftige, auf Querbalken ruhende Stützpfeiler hielten. Die vier mit Kalk geweißten Mauern hatten keinen Schmuck. Das Elend machte die Gemeinde zu Bilderstürmern, ohne daß sie es wußte. Die mit Fliesen ausgelegte und mit Bänken versehene Kirche wurde durch vier spitzbogige Seitenfenster mit bleigefaßten Scheiben erhellt. Der Altar, in Form eines Sarkophags, hatte über einem Nußbaumtabernakel mit einigen sauberen und blinkenden Schnitzereien ein großes Kruzifix als einzigen Schmuck, daneben acht Leuchter aus weißgemaltem Holz mit spärlichen Kerzen, dann

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