Der Dorfpfarrer (German Edition)
zwei Porzellanvasen voll künstlicher Blumen, die der Portier eines Wechselmaklers verschmäht haben würde und mit denen Gott sich zufrieden gab. Die Lampe des Allerheiligsten war ein Nachtlicht, das man in einen tragbaren Weihwasserkessel aus versilbertem Kupfer gestellt hatte, sie hing an Seidenkordeln, die aus irgendeinem zerstörten Schlosse stammten. Das Taufbecken bestand aus Holz, wie der Altar und eine Art von Stuhl für die Kirchenvorsteher, die Patrizier des Fleckens. Ein Altar der heiligen Jungfrau bot der allgemeinen Bewunderung zwei kolorierte Lithographien, die in kleine Goldleisten eingerahmt waren. Er war weiß gestrichen, mit künstlichen Blumen geschmückt, die in vergoldete gedrechselte Holzvasen gesteckt worden waren, und mit einem mit erbärmlichen roten Spitzen besetzten Tuche bedeckt. Im Hintergrunde der Kirche war ein langes Fenster; man hatte es mit einem langen Vorhang aus rotem Zitz bedeckt, was eine magische Wirkung erzeugte. Dieser reiche Purpurmantel warf einen rosigen Farbenton auf die geweißten Mauern: ein göttlicher Gedanke schien vom Altar auszugehen und das armselige Kirchenschiff zu umfangen, um es zu erwärmen. Der Wandelgang, welcher nach der Sakristei führte, zeigte an einer seiner Wände den Schutzheiligen des Dorfes, einen großen St. Johannes mit seinem Lamm, der aus Holz geschnitzt und fürchterlich bemalt war. Trotz so vieler Armut gebrach es der Kirche nicht an sanften Harmonien, die schönen Seelen wohlgefallen und die Farben so gut hervortreten lassen. Das reiche Braun des Holzes hob sich wundervoll von dem reinen Weiß der Wände ab und vereinigte sich ohne Mißton mit dem auf die Chorhaube fallenden triumphierenden Purpur. Diese strenge Dreieinigkeit der Farben erinnerte an den großen katholischen Gedanken. Beim Anblick dieses armseligen Gotteshauses folgte, wenn das erste Gefühl Ueberraschung war, eine mit Mitleid vermischte Bewunderung: drückte es nicht das Elend des Landes aus? Stimmte es nicht mit der naiven Einfachheit des Pfarrhauses überein? Im übrigen war es sauber und gutgehalten. Man atmete dort gleichsam einen Duft ländlicher Tugenden ein; nichts verriet dort Ueberfluß. Obwohl es ländlich und einfach war, wurde es vom Gebet bewohnt, besaß es eine Seele, das fühlte man, ohne sich das Wie erklären zu können.
Abbé Gabriel schlich sich leise, um die Andacht zweier Gruppen nicht zu stören, die auf den Bänken saßen, zum Hauptaltar, der vom Schiffe an der Stelle, wo die Lampe hing, durch eine ziemlich plumpe, ebenfalls aus Kastanienholz bestehende Balustrade getrennt und mit der für die Kommunion bestimmten Decke geschmückt war. Auf jeder Seite des Schiffs saßen etwa zwanzig in heißeste Gebete versenkte Bauern und Bäuerinnen und gaben nicht acht auf den Fremden, als er den engen Gang hinaufging, der beide Bankreihen voneinander trennte. Als er unter der Lampe angekommen war, einer Stelle, von der aus man die beiden kleinen Schiffe, die das Kreuz bildeten, von denen eines nach der Sakristei, das andere nach dem Friedhof führte, übersehen konnte, bemerkte Abbé Gabriel auf der Kirchhofseite eine in Schwarz gekleidete und auf den Fliesen kniende Familie; diese beiden Teile der Kirche hatten keine Bänke. Der junge Abbé kniete auf dem Balustradengang nieder, der den Chor vom Schiffe trennte, und fing an zu beten, indem er mit einem Seitenblick das Schauspiel prüfte, das sich ihm bald erklärte. Das Evangelium war gelesen. Der Pfarrer legte das Meßgewand ab und stieg vom Altar herunter, um nach der Balustrade zu kommen. Der junge Abbé sah diesen Moment voraus und lehnte sich an die Mauer, ehe Monsieur Bonnet ihn sehen konnte. Es schlug zehn Uhr.
»Liebe Brüder,« sagte der Pfarrer mit einer bewegten Stimme, »in diesem selben Augenblick soll ein Kind unserer Gemeinde der menschlichen Gerechtigkeit seine Schuld bezahlen, indem es die Todesstrafe erleidet; wir bieten das heilige Meßopfer für die Ruhe seiner Seele dar. Laßt uns unsere Gebete vereinigen, um bei Gott zu erlangen, daß er dies Kind in seinen letzten Augenblicken nicht verläßt, und daß seine Reue ihm im Himmel die Gnade erwirbt, die man ihm hier unten verweigert. Das Verderben dieses Unglücklichen, der einer von denen war, auf die wir am meisten gerechnet haben, um gute Beispiele zu geben, kann nur dem Verkennen der religiösen Grundsätze zugeschrieben werden...«
Der Pfarrer wurde durch das Schluchzen unterbrochen, welches von der in Trauergewänder gekleideten
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