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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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Seele gefällt mir ganz gut, Henry. Niemand wird sie berühren. Es gibt sie ja nicht, so wie es dich nicht gibt. Deshalb kannst du auch nicht verstehen, dass du gewinnen und doch verlieren wirst. Lass los, Henry. Alle Weisheit des Universums reicht nicht aus, das Böse zu benennen und zu begreifen. Aber die banale Wahrheit ist: Na und? Müssen wir? Schau hin, Henry! Menschen wie Rosa wussten immer schon, was wirklich zu tun ist.«
    Welch ein Rührstück!, dachte ich beim Aufwachen. Was ich fühlte, war wohl Ekel. Dann kam mir mein Tanz mit Rosa in den Sinn.

12
Nebel
    R osas Rückenschmerzen sind längst unerträglich geworden, aber erst auf der Zufahrt zur Autobahn bittet sie Shandar, das Steuer zu übernehmen.
    »Immer Richtung Marseille. Sobald Montélimar angezeigt ist, weckst du mich. Ich leg mich auf die Rückbank. Vielleicht gelingt es mir, ein wenig zu schlafen.«
    » Je vous conduis très doucement . Sie werden schlafen wie auf ein Wolkenbett.«
    Tatsächlich fährt er ruhig und gleichmäßig, wie Rosa bald feststellt; er schmiegt sich zwischen die Lastzüge und gleitet wieder aus ihrem Schatten heraus, ohne je spürbar langsamer oder schneller zu werden. Das ist ein gutes Gefühl. Aber einzuschlafen gelingt ihr trotzdem nicht. In ihr spricht Réas Stimme, in ihr hallen die Schritte ihres Sohnes durchs Münster. Schlummert sie kurz, wird sie von Aldos und Salvatores stechenden Blicken bedroht. Besser, sie bliebe sitzen und wach. So ist sie ihren Ängsten weniger hilflos ausgeliefert. Doch hält sie die Augen offen und sich aufrecht, überfällt sie der Zorn. Das überrascht, erleichtert sie aber auch. Zorn ist besser als Angst, sagt sie sich. Zorn macht mich mutiger. Er ist das Beste, was mir passieren kann. Halblaut grummelt sie: »Wäre ich stärker, würde ich jetzt meine Fahne entrollen, auf die Barrikaden steigen, das Städtchen zurückerobern …« Sie kichert verlegen, weil es so martialisch klingt. Shandar erkundigt sich: »Was ist mit Ihnen?«
    »Wenn ich das wüsste«, sagte Rosa und beschließt endgültig, wach zu bleiben. Wäre ich noch etwas zorniger, denkt sie, wäre ich auch mutiger und dann würde ich umkehren. Diese Erkenntnis trifft sie bitter: dass sie in die falsche Richtung fährt. Vielleicht ist das der verborgene Grund ihres Zorns. Dieser Rückzug in das Häuschen im Süden ist im Grunde feige. Ich flüchte. Genauso ist es doch!
    Kurz nach Lyon, gerade hat die Dämmerung eingesetzt, beginnt sich der Verkehr zu stauen. Auch ist, ungewöhnlich für die frühe Septemberzeit, Nebel aufgekommen. Die Sicht verschlechtert sich von Minute zu Minute. Dass sich die Fahrt verlangsamt, erträgt Rosa fast nicht. Shandar scheint es nichts auszumachen. Er summt vor sich hin wie auch zuvor schon ab und an. Aber jetzt ärgert es sie. Über Chassang hat sie Maurice und Lilith, die sie immer noch nicht hat erreichen können, ausrichten lassen, dass sie gegen neun Uhr ankommen werde. Das schaffen wir nie – und Shandar summt! Sie durchschaut durchaus, dass sie sich von ihrer Gereiztheit verleiten lässt, als sie ihn provoziert:
    »Ich glaube nicht, dass es euch um die Kinder geht. Es geht euch doch nur um Geld.«
    » Comment? «
    »Erpressung ist immer eine dreckige Sache. Sale , verstehst du.«
    »Schauen Sie an den Film. Schauen Sie an die Kinder. Monsieur Bellini hat Geld gemacht mit der Haut von diese Kinder. Er ist reich. Les enfants sont pauvres .«
    Nicht lange und sie verheddern sich in einem Streit, weil es Rosa nicht lassen kann, weitere Behauptungen nachzuschieben, seien sie noch so unsinnig. Shandar wehrt sich, bleibt aber freundlich und gelassen, was Rosa erst recht in Wallung bringt.
    »Du und deine Freunde habt Bellini doch nach Ghana gelockt. Ihr wusstet, wie es in euren Fabriken zugeht.«
    »Wir denken, er bringt gute Arbeit, nicht böse Arbeit.«
    »Für Erpressung gibt es keine Ausrede. Nie.«
    »Wir wollen nur bezahlen Hospital für Kinder. Und wir wollen nie mehr du travail dangereux für die Kinder. Keine Gefahr bei Arbeit.«
    »Schön und gut, aber dafür braucht ihr keine dreihunderttausend Dollar. Oder wie hoch die Summe, die ihr erpressen wollt, auch genau sein mag.« Rosa möchte aufhören und kann nicht. Dann stecken sie fest. Der Nebel ist zu dicht geworden.
    »Da haben wir den Schlamassel«, schimpft Rosa, als habe Shandar auch Nebel und Stau auf dem Gewissen. Versöhnlich sagt er: »Sie müssen selber nehmen das Geld. Sie suchen Hospital. Sie bezahlen.«
    Die Beschämung,

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