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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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lächelte und schlüpfte an meiner Seite unter die Bettdecke zurück.
    »Soll ich …?«, fragte sie nach einer Weile und ich wusste, dass sie vorschlug, das Licht zu löschen.
    »Ja.«
    So lagen wir stumm in der Dunkelheit. Ich dachte, sie würde meine Unruhe spüren und sich daran stören. Aber ihr Atem klang bald so gleichmäßig, als wäre sie schon nahe am Einschlummern. Ich war also überrascht, als sie auf einmal sagte: »Weißt du Henry, was ich gern mal möchte? Mit dir nach Kanada reisen. Vielleicht sogar auswandern, sobald Lilith mich nicht mehr braucht.« Ich gab bloß ein Brummen zurück, weil ich partout nicht wusste, was ich darauf sagen sollte. Ich glaube, dass sie bald danach einschlief.
    Wie lange ich bei wachem Bewusstsein blieb, weiß ich nicht. Ich konnte nicht mehr auseinanderhalten, was halb betäubtes Denken oder wirres Träumen war. Die Schlafmittel mögen dazu beigetragen haben. Im Rückblick habe ich das Gefühl, diese Nacht als zwei verschiedene Wesenheiten durchlebt zu haben. Die eine dachte noch weiter, als ich längst schlief, die andere träumte schon, als ich noch wach war. Die Erinnerung ist gleichermaßen scharf und nebulös, doch seltsam bildlos. Nur zwei Stimmen waren da. Die eine wohl meine eigene; die andere sicher die meiner Meisterin.
    »In mir ist eine große Wehmut, mein Geselle und Freund. Wenn es dich nicht mehr gibt, werde auch ich nicht mehr sein.«
    »Nenn mich nicht Geselle!«
    »Henry? Heinrich? Was ist dir genehmer?«
    »Verspotte mich nur!«
    »Unsereiner spottet nie. Auch das ist uns nicht gegeben. Aber mich wundert, wie dir alles durcheinandergerät.«
    »Ich wollte, ich könnte es. Menschen können es.«
    »Spotten? Spotten möchtest du können?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
    »Versteh mich doch, Meisterin! Ich meine nicht nur spotten. Ich meine loben, freuen, täuschen. Verdammen, vergeben. Hassen, trauern, leiden, trösten, staunen, lieben … wie Akwasi.«
    »Der Richter?«
    »Ja, mein Freund in Ghana.«
    »Er ließ sich korrumpieren.«
    »Und war doch mitfühlend und mutig. Ich wüsste nur zu gern, wer er ist. Denn niemandem sonst habe ich mich in den letzten drei Jahren so nahe gefühlt.«
    Ich spürte, wie ich zunehmend in Schwermut geriet. Dabei war ich nicht einmal sicher, ob ich meine eigene Befindlichkeit wahrnahm oder die meiner Meisterin. Angestrengt versuchte ich, mir Akwasis Gesicht vorzustellen, aber es gelang mir nicht. Tief in mir begann sich eine bedrohliche Ungewissheit auszubreiten. Zwar sprachen wir weiter und doch zerfloss alles im Ungefähren. Sprach ich? Sprach sie? Wer tröstete wen? Wer stand für was? Einer von uns pries das Experiment als erfolgreich. »Schlimmer hätte es gar nicht kommen können, das Experiment hätte nicht beweiskräftiger beendet werden können«, sagte die Stimme. Es war weder Genugtuung noch Bedauern herauszuhören. »Natürlich wird es heißen, Aldo und Severin seien dem Teufel vom Karren gefallen. Ach ja? Von welchem Karren denn? Wer kein Sein hat, zieht auch keinen Karren. Punktum! Man müsste endlich die Sprichwörter bereinigen. Es wird heißen, da müsse der Teufel seinen Schwanz im Spiel gehabt haben. Wirklich? Wie befestigt man denn einen Schwanz am Nichts? Gefallen sind die beiden, das wohl. Aber warum? Darum! Weil Aldo handelt, wie er handelt. Weil Severin über Severin bestimmt. Selbst ist der Mensch. Er kann wählen. Ja oder Nein. Tun oder lassen. Licht oder Schatten. Sogar wenn er gestürzt ist, kann er noch wählen: liegen bleiben oder sich wieder … Ach, die beiden! Die schlimmste Wendung kommt ja noch. Sie werden es sogar zulassen, dass ihre Taten ungesühnt bleiben und andere für sie büßen. So also steht es um die höchste Teufelskunst, den Unschuldigen an den Galgen zu bringen: Nur der Mensch beherrscht sie!«
    So redete es und redete und unvermittelt verspürte ich einen Sog, der mich hineinriss in einen triumphalen, rechthaberischen, närrischen Wirbel. Ich werde gewinnen. Der Beweis ist mir sicher. Alles ist dokumentiert. Unsereiner ist von aller Schuld frei, wie immer schon, doch diesmal ist es belegt und aufgezeichnet – Ein schrecklicher Traum, ein Anfall des Wahnsinns! Triumph! Freiheit! , gellte es in meinen Ohren, mich aber zerriss ein Schmerz.
    Ich fuhr auf. Barbaras Hand streichelte meine Brust. Sie murmelte etwas, schlief aber weiter und wieder hörte ich ein Flüstern. Es kam von irgendwoher und vielleicht war es das letzte Mal, dass ich die Meisterin vernahm:
    »Deine

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