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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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fast: »Ja, und den Umhang, sagt der Mann, den Umhang habe er im Fluss entsorgt. Er habe Schluss machen wollen. Schluss mit seinen Auftritten!«
    »Eben. Das macht doch Sinn«, knurrte Severin.
    »Eben? In Aldos Sammlung fehlen zwei Masken. Da bin ich mir sicher. Und dazu fand ich dieses Buch.« Verärgert warf sie das Buch auf die Tischplatte. »Seite 66! Chemie! Feuerwerk, Eigenbau! Und die Freundin des ertrunkenen Mädchens hat immer von bengalischem Feuer gesprochen«, rief sie.
    »Dafür hat er sich schon in unserer Jugend interessiert«, murmelte Severin. Er griff sich das Buch und stand auf, wandte sich von Carla ab und trat zum Ausgang, der auf die Terrasse ging. Blätterte. »Früher schon. Im Internat. Sein altes Chemiebuch.« Seine Haltung wirkte unbeholfen oder verspannt; jedenfalls nicht mehr gleichmütig.
    »Severin. Ich muss es endlich wissen. Was war damals im Internat?«
    »Frag Aldo. Er hat nichts zu verbergen. Dein Verdacht ist absurd.« Er drehte sich ihr zu. »Spiel nicht die Detektivin. Was ist denn nur los mit dir? Du kennst doch deinen Mann. Mach keine komplizierte Sache draus.« Und er legte das Buch auf den Schreibtisch, um es sorgfältig zuzuklappen. Seine Hand strich beinahe zärtlich über den Einband und blieb darauf liegen, während er weitersprach. Als ob er auf die Bibel vereidigt würde, dachte Carla.
    »Wenn Aldo einen Schaden hat, Carla, dann den Salvatore-Schaden. An so einem Vater hast du lange zu tragen.« Und schon setzte Severin zu einem Exkurs über Vater und Sohn Bellini an. Wie Aldo sich abgestrampelt habe, um seinem Vater zu genügen. Dass der Alte wie ein perfider Spiegel gewesen sei, der den Sohn stets zur Unkenntlichkeit verkleinert zeigte. »Eigentlich hätte Aldo diesen Spiegel längst zerschmettern müssen. Und euch beiden kann ich nur raten, endlich aus dieser scheißpompösen Villa – du entschuldigst das Wort – auszuziehen. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass man sich nie die großen Latschen des Vaters überziehen darf. Und in seinem Protzhaus wohnen schon gar nicht.«
    Bei Latschen schreckte Carla auf. Das Wort passte so wenig zu Severins Sprache, wie sein ganzer Wortschwall nicht stimmte. Sie wusste mit einem Mal, dass ihr Gespräch gescheitert war. Sie hätte Severin nicht ins Vertrauen ziehen sollen. Du bist die falsche Besetzung, dachte sie. Er sagte:
    »Du hast dir die schlimmsten Dinge vorgestellt und wolltest meine Einschätzung hören, ja?«
    »Lass gut sein, Severin. Ich weiß schon gar nichts mehr.«
    »Ich will dich wirklich nicht im Stich lassen.«
    Carla sprang auf. »Tust du nicht. Ich komme schon klar.« Dass sie Severin mit ihrem plötzlichen Aufbruch verärgerte, merkte sie erst, als sie das Buch einstecken wollte und er blitzschnell die Hand darauf legte. Wie seltsam er sie dabei ansah! War er etwa doch um Aldo besorgt? Oder verheimlichte er ihr etwas? Schluss damit! Energisch zog sie das Buch unter seiner Hand hervor und verstaute es in ihrer Tasche.
    »Mach dir um mich keine Gedanken, Severin! Ich krieg das schon hin.« Er sah einfach müde aus, nur das und nichts sonst. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und setzte zum Wangenkuss an, als er sich straffte und einen Schritt zurück machte. Überraschender Eifer war in seiner Stimme: »Ich meine zu wissen, dass der Täter weitgehend geständig ist. Gibt es denn da noch Zweifel?«
    »Mit der Sache am Fluss will er nichts zu tun haben, steht in den Protokollen.«
    »Aber das nimmt ihm doch keiner ab.«
    »Du verstehst schon, Severin, dass ich da nicht ganz frei …«
    »Um Gottes willen, klar, deine Schweigepflicht. Aber dieses Leugnen macht keinen Sinn. Lass du dich deswegen nicht verunsichern. Eines sage ich dir in aller Deutlichkeit: Aldo – nie und nimmer!« Severin hatte den Zeigefinger angehoben und ließ ihn mit jedem Satz vorschnellen. »Niemals! Ich kenne ihn! Er ist doch mein Freund. Niemals, vergiss es! Mach die Sache nicht unnötig kompliziert!« Offenbar wurde er sich jäh seiner Gebärde bewusst, denn er grinste verlegen und ließ die Hand fallen.
    Wie ein kleines Strafgewitter, dachte Carla. »Danke, danke«, stotterte sie, weil ihr sein linkisches Benehmen unangenehm war. Sie nickte ihm zu und hinterließ in der Tür ein weiteres doppeltes Danke.
    In der Halle kam ihr Rosa im schillernd blauen Morgenmantel entgegen, einen riesigen Schlüssel in der Hand.
    Just bei der Zahlstelle in Straßburg wachte Lilith auf. Vor einer Stunde war sie eingenickt, nachdem sie, über

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