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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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Ernstes. Dass sie damit aber ausgerechnet zu Severin … In unserem Städtchen fangen langsam alle an zu spinnen. Was ist eigentlich los mit uns? Armer Severin!«
    »Armer Aldo, meinst du wohl?«
    »Ja, natürlich!«, sagte Rosa fast kleinlaut. »Gerade ist sie gegangen. Carla, meine ich. Höchste Zeit, dass ich auch verschwinde.« Aber sie blieb und nestelte umständlich an ihrem Zopf. Maurice kam das alles recht wunderlich vor. So unentschlossen kannte er Rosa gar nicht. Und Carla Bellinis Verdacht war so absurd, dass er schon komisch war. Und noch immer stand Rosa da.
    Verlegen räusperte er sich. »Ich bin Carla auch kurz begegnet, vor dem Kühlschrank.«
    »Aha. Hat sie dich etwa ertappt?«
    »Weißt du davon?«
    »Aaah, du schöööner Käääse!«, antwortete Rosa.
    »In diesem Haus gibt es wohl überhaupt keine Geheimnisse!« Maurice verzog das Gesicht, lachte – und erschrak, als Rosa ein seltsam heiseres Stöhnen entfuhr, das sie mit einer fahrigen Geste übers Gesicht zurückzunehmen versuchte.
    »Habe ich was Dummes gesagt?«, wagte sich Maurice vor. Rosas Kopfschütteln, ihre tapsenden Schrittchen aufs Bett zu. Am Fußende ließ sie sich nieder, als wäre das Setzen eine Qual.
    »Doch«, sagte sie.
    »Ich wollte dich nicht …«
    »Ich wollte es nicht! Ich wollte da allein durch. Ich wollte dich nicht mit Andeutungen belasten. Aber mir läuft die Zeit davon. Bisher dachte ich immer, mit einer ordentlichen Portion Galgenhumor könnte ich alles durchstehen. Aber seit ein paar Tagen bin ich mir da nicht mehr so sicher … Carla hat mich mehr durcheinandergebracht, als mir guttut. Nur kann ich dir nicht sagen, worum es geht.«
    »Dabei hast du mich bisher immer ernst genommen«, murmelte Maurice hilflos.
    »Nein! Damit hat es nichts zu tun. Ich nehme dich auch jetzt ernst.«
    »Also gibt es ein Geheimnis?«
    Rosa blieb stumm.
    »In diesem Haus? Geht es um meine Mutter?«
    »Maurice, bitte!«
    »Was ist denn so verkehrt daran, wenn zur Abwechslung jetzt mal ich für dich da bin?«
    »Also gut! Etwas will ich dir … aber dann muss es gut sein … einmal! Ich habe einmal eine große Dummheit gemacht. Und jetzt habe ich das Gefühl, die Rechnung präsentiert zu bekommen. Dabei sind das alles nur Vermutungen. Schon deshalb kann ich nicht mehr sagen.«
    »Eine wirklich große Dummheit? Ich meine, eine, durch die jemand zu Schaden kam?«
    »Ja.«
    »Und deshalb bist du immer noch traurig?«
    »Ja. Wenn meine Vermutungen stimmen. Aber jetzt muss Schluss sein.«
    Sie schwiegen lange, bis Maurice sagte:
    »Meinetwegen. Aber ich komme in jedem Fall mit dir in den Süden. Notfalls auch ohne Lilith. Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung, worum es geht, aber du kannst dich auf mich verlassen.«
    Dass ihn Rosa mit entrückten Augen anblickte, war das eine; das andere waren die Tränen in ihren Augenwinkeln. »Das muss jetzt nicht sein«, schimpfte sie, schniefte und blinzelte und als das nichts nützte, nahm sie die Bordüre ihres Ärmels zu Hilfe. »Danke, Maurice. Ich drück dir die Daumen. Es klappt bestimmt mit Lilith. Deinen Schlaf habe ich dir auch gestohlen. Was für ein Chaos! Ich werde alt. Wenn wir nur schon dort wären. Das Autofahren ist mir seit Langem verleidet.«
    »Ich kann auch fahren.«
    »Ach! Lieb von dir!« Rosa schoss auf und zur Tür, als sei ihr plötzlich ein Versäumnis in den Sinn gekommen, grummelte etwas von Auto und Dorf, TGV und Reservierungen. Maurice konnte nur staunen, wie schnell sie sich wieder auf Trab gebracht hatte. Eigentlich ist sie zum Knuddeln, dachte er.
    »Bist eigentlich zum Knuddeln«, brummte Rosa und war verschwunden.
    Carla war am frühen Abend spontan zu Réas neuer Adresse, einem kleinen Wohnblock nahe am See, gefahren. Aus Réas Wohnung im zweiten Stock dröhnte Musik. Als auf ihr Klingeln niemand reagierte, drückte Carla die Klinke, betrat zögernd den dunklen Korridor, tapste voran zur halb offenen Tür – und bekam einen dunkelhäutigen Po zu sehen, wippende Backen im Triangel weißer Schenkel, die Réa gehörten. Noch nie hatte sie Nacktheit als derart radikale Entblößung wahrgenommen. So ungeheuer weiß kontrastierten die Schenkel zum dunklen Hintern, der sich wie ferngesteuert bewegte …
    Ob wirklich Réa dort gelegen hatte, fragte sich Carla erst, als sie aus der Wohnung stürzte, wobei ihr die Klinke entglitten und die Tür krachend zugefallen war. Nichts wie fort, zum Wagen, losfahren. Das Bild pulsierte aufreizend unter ihren Lidern und bestimmte alle

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