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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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einfach keine Schattenseiten! Ich muss mich also fragen, ob eigentlich ich gestört bin.«
    »Warum?«
    »Weil ich ihn nicht ausstehen kann.«
    »Tatsächlich? Wieso nicht?«
    »Ich will nicht, dass du denkst, mit mir stimme etwas nicht.«
    »Werde ich nicht tun. Heiliges Ehrenwort.« Maurice lachte.
    »Verdammt noch mal!«, rief sie zornig und lenkte auf den Pannenstreifen, hielt an und zog den Schlüsselbund ab, den Maurice Rosas Monsterschlüssel beigefügt hatte. »Der piesackt mich ganz grässlich, dieser Pfundskerl«, klagte sie und nestelte Rosas Schlüssel aus dem Ring, um ihn in die Brusttasche ihrer Jeansjacke zu stecken. Wie ein eisernes Fähnchen ragte der Bart heraus. Dann küsste sie Maurice blitzschnell auf die Wange, fuhr wieder an und lachte:
    »Keine Angst, ich lass ihn schon nicht rausfallen.«
    Natürlich meinte sie den Schlüssel, aber Maurice dachte an Henry. Eine längere Zeit schwiegen sie wieder. Der Verkehr nahm zu. Immer längere Konvois von Lastzügen mussten überholt werden. Lyon wurde angezeigt. Wenig später verpassten sie den Spurwechsel Richtung Marseille. Sie gerieten in die Schlaufen der Stadtumfahrung und Lilith meinte, er solle doch bitte das Steuer wieder übernehmen: »Da fahren mir zu viele Verrückte.«
    Sie wechselten. Kurz darauf setzte Regen ein, der im Nu zu einem Wolkenbruch wurde. »Und das soll nun der Süden sein«, spottete Maurice. Aber Lilith räkelte sich in ihrem Sitz und lobpreiste ihr rollendes Kabäuschen, das jeder Sintflut trotze, eine bessere Arche könne es gar nicht geben. Und sie versank bis zu den Lippen im hochgeschlagenen Kragen ihrer Jacke. Bis zur Ausfahrt bei Remoulins hatten sie noch zweihundert Kilometer vor sich.
    »Bald werden wir weggeschwemmt«, sagte Maurice, als die Sturzflut noch zulegte. Sie gehörten jetzt zu einer sich langsam vorschiebenden Kolonne. Die hin- und herzuckenden Scheibenwischer bekamen etwas Verzweifeltes. »Die kämpfen für uns«, sagte Maurice und wurde urplötzlich von einer schmerzhaft sehnsüchtigen Regung durchdrungen. Er blickte zu Lilith, die im gleichen Moment voller Zärtlichkeit seinen Blick gesucht hatte. Unerwartet und heftig verspürten sie eine innige Verbundenheit. Aufwühlend war es, überwältigend war es und hielt an, bis Maurice gefährlich nah an das Wohnmobil vor ihnen aufgerückt war.
    »Pass auf!«, schrie Lilith, während Maurice den Aufprall gerade noch verhindern konnte.
    »Verdammt Glück gehabt!«, murmelte er.
    »Ja! Das habe ich noch nie …«
    »Ich auch nicht«, sagte Maurice.
    »Das ist schön«, sagte Lilith.
    Stumme Kilometer. Irgendwann einmal kamen sie auf sich zu sprechen. Eigentlich waren es nur Miniaturen von Zwiegesprächen, eingebettet in Zuwarten, Schweigen, Nachsinnen. Alles hatte seine Zeit, das Reden und die Stille, die ganz dem Regen gehörte, der aufs Blech prasselte und über die Scheiben strömte.
    Bei Valence Nord fragte Lilith: »Sind alle in deiner Band so?«
    »Wie wer?«
    »Wie Higi.«
    »Ich nicht.«
    »Ich war mal so. Ziemlich bis sehr schlimm«, murmelte Lilith.
    »Wie wer?«
    »Wie Higi. Ich habe mit vielen rumgemacht. Und sie danach stehen gelassen.«
    Bei Valence Sud sagte Maurice:
    »Hast du mit denen auch … ich meine, warst du mit denen im Bett?«
    »Ich bestand aus so viel Wut.«
    »Wut wie Rache?«
    »Vielleicht. Einer war verheiratet. Aber ich kannte keine Gnade. Rief sogar bei seiner Frau an. Danach habe ich geweint, glaube ich.«
    »Du tust mir weh«, sagt Maurice.
    »Ich möchte nur, dass du es weißt.«
    »Ja, ich weiß, wie wichtig …«
    »Ich glaube an uns«, sagte Lilith.
    »Dito«, sagte Maurice fast harsch, weil sein Schmerz anhielt.
    »Wie noch nie an jemanden! Vielleicht gerade weil ich das durchgemacht – ach was! – gemacht habe. Das hat mir ja schließlich niemand angetan. Das war ich schon selbst.«
    Und Maurice blickte sie an. »Das?«, fragte er, obwohl er wusste, was Lilith meinte.
    »Hey, mit uns hat das nichts zu tun, Maurice!«
    Und er dachte, dass Lilith eine verflixt gute Heilerin sei …
    Als sie an Montélimar vorbeifuhren, leckte sich Maurice genüsslich die Lippen. »Von hier kommt das Nugat, das süße, süße Nugat.«
    »Ich hasse es.«
    »Wirklich?«
    »Mein Vater fraß das Zeug für sein Leben gern. Aber sag jetzt nicht Aha . Obwohl es stimmen würde, glaube ich.«
    »Ich hätte auch einen Vater mit Nugat genommen, sogar einen aus Nugat.«
    »Wo liegt das schon wieder?« Lilith kicherte.
    »Ich hätte einfach gerne einen

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