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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hob die Brauen und wartete.
    »Ich sollte Euer Zimmer ausfegen. Rachel hat mich damit beauftragt. Jetzt ist der ganze Nachmittag einfach so verstrichen.«
    »Oh. Ah!« Morgenes’ Nase kräuselte sich, als jucke sie ihn. Dann zog ein breites Lächeln über sein Gesicht. »Mein Zimmer ausfegen, was? Gut, Junge, komm morgen wieder und mach das. Sag Rachel, ich hätte noch mehr Arbeit für dich, falls sie dich freundlicherweise entbehren könnte.« Er wandte sich wieder seinem Buch zu, sah dann erneut zu Simon auf, kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippen. Während er so in stillem Nachdenken dasaß, wurde Simon unruhig.
    Warum starrt er mich so an?
    »Wenn ich mir die Sache recht überlege, Junge«, sagte der Mann endlich, »wird es hier demnächst eine ganze Menge Arbeit geben, bei der du mir helfen könntest – und irgendwann werde ich auch einen Lehrling brauchen. Komm morgen wieder, wie ich gesagt habe. Über das andere will ich mit der Obersten der Kammerfrauen reden.« Er lächelte kurz und beugte sich dann wieder über seine Schriftrolle. Simon merkte plötzlich, dass Inch ihn über den Rücken des Doktors anstarrte; unter der ruhigen Oberfläche seines käsigen Gesichts regte sich etwas Undeutbares. Simon machte kehrt und rannte aus der Tür. Voller Begeisterung sprang er den blau erleuchteten Gang hinunter und tauchte unter dem dunklen, bewölkten Himmel ins Freie. Lehrling! Beim Doktor!
    Als er das Torhaus erreichte, machte er halt und kletterte zum Burggraben hinunter, um seinen Besen zu suchen. Die Heimchen waren schon mitten in ihrem Abendchoral. Als Simon den Besen endlich gefunden hatte, hockte er sich einen Augenblick an die Ufermauer und hörte ihnen zu.
    Während ringsum der rhythmische Gesang aufstieg, ließ Simon die Finger über die Steine neben sich gleiten. Er strich über die Oberfläche eines Blocks, der so glatt gescheuert war wie handpoliertes Zedernholz. Seltsame Gedanken gingen ihm durch den Kopf: Vielleicht steht dieser Stein schon seit … seit vor der Geburt unseres Herrn Usires an diesem Ort. Vielleicht hat hier in dieser Stille einmal ein Sithijunge gesessen und der Nacht gelauscht …
    Woher kommt dieser leichte Wind?
    Eine Stimme schien zu flüstern, die Worte zu leise zum Hören. Vielleicht ist er mit der Hand über genau diesen Stein gefahren … Und erneut dieses Flüstern im Wind: Wir holen es uns wieder, Menschenkind. Wir holen uns alles wieder.
    Simon raffte seinen Mantelkragen eng gegen die unerwartete Kälte zusammen, stand auf und kletterte den grasigen Hang wieder hinauf. Er hatte plötzlich Sehnsucht nach vertrauten Stimmen und Licht.

3
Vögel in der Kapelle

    eim gesegneten Ädon …« Klatsch!
    »… und Elysia, seiner Mutter …« Klatsch!
    »… und allen Heiligen, die da wachen über …« Klatsch! »… wachen über … autsch!« Ein Zischen ohnmächtiger Wut. »Verfluchtes Spinnenpack!« Das Klatschen begann von neuem, vermischt mit Verwünschungen und Beschwörungen.
    Rachel säuberte die Decke des Speisesaales von Spinnweben.
    Zwei Mädchen krank, ein weiteres mit verstauchtem Knöchel – es war einer von jenen Tagen, an denen die Achataugen von Racheldem Drachen so gefährlich funkelten. Schlimm genug, dass Sarrah und Jael an der Ruhr darniederlagen – Rachel war eine harte Zuchtmeisterin, aber sie wusste, dass jeder Tag, den man ein krankes Mädchen weiterarbeiten ließ, drei Tage bedeuten konnte, die es am Ende dann doch länger ausfiel – ja, schlimm genug auch, dass Rachel selbst die Lücken füllen musste, die dadurch entstanden.
    Als ob sie nicht ohnehin schon für zwei arbeitete! Und nun erklärte der Seneschall, der König wolle heute Abend in der Großen Halle speisen! Zudem war Elias, der Prinzregent, aus Meremund eingetroffen, und nun gab es noch mehr Arbeit!
    Und Simon, den sie vor mindestens einer Stunde losgeschickt hatte, um ein paar Bündel Binsen zu holen, war immer noch nicht zurück.
    Da stand sie nun mit ihren müden, alten Knochen auf einem wackligen Hocker und versuchte mit einem Besen die Spinnweben aus den hohen Deckenwinkeln zu entfernen. Dieser Junge! Dieser, dieser …
    »Heiliger Ädon, gib mir Kraft …«
    Klatsch! Klatsch! Klatsch!
    Dieser verflixte Bursche!
    Es war ja nicht nur, überlegte Rachel später, als sie mit rotem Gesicht und verschwitzt auf den Hocker gesunken war, dass der Junge faul und schwierig war. All die Jahre hatte sie ihr Bestes getan, die Aufsässigkeit aus ihm herauszuklopfen; ganz bestimmt,

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