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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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das wusste sie, war er dadurch ein besserer Mensch geworden. Nein, bei der Guten Mutter Gottes, viel schlimmer war, dass kein anderer Mensch sich um ihn zu kümmern schien! Simon war so groß wie ein Mann und alt genug, um bald wie ein Mann arbeiten zu können – aber nein! Er träumte vor sich hin. Die Küchengehilfen lachten über ihn; die Kammermädchen verwöhnten ihn und verschafften ihm Essen, wenn Rachel ihn vom Tisch verbannt hatte. Und Morgenes? Der Mann ermunterte den Jungen noch!
    Jetzt hatte er Rachel sogar gefragt, ob Simon nicht kommen und täglich für ihn arbeiten – ausfegen, helfen, die Sachen sauber zu halten – ha! –, und dem alten Mann ein bisschen von seiner Arbeit abnehmen könne. Als ob sie es nicht besser wüsste! Die beiden würden nur herumsitzen, während der alte Süffel Bier kippte und dem Jungen Gott-weiß-was für Teufelsgeschichten erzählte.
    Trotzdem konnte sie nicht umhin, sein Angebot ernsthaft zu prüfen. Es war das erste Mal, dass überhaupt jemand nach dem Jungen gefragt hatte oder ihn gar haben wollte – bisher lief er allen immer nur so zwischen den Beinen herum! Und Morgenes schien wirklich zu glauben, er tue dem Jungen damit Gutes …
    Rachel sah zu den breiten Deckenbalken hinauf und blies sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Blick verlor sich in den Schatten des Gebälks.
    Sie dachte an damals, an jene Regennacht, mit der alles angefangen hatte – wann war es, vor vierzehn, fast fünfzehn Jahren? Sie kam sich so alt vor, wenn sie daran zurückdachte. Dabei schien alles nur einen Augenblick her zu sein …

    Tag und Nacht war der Regen heruntergeprasselt. Als Rachel vorsichtig über den schlammigen Hof ging, wobei sie mit der einen Hand den Mantel über dem Kopf, mit der anderen eine Laterne festhielt, trat sie in eine breite Wagenspur und fühlte, wie ihr das Wasser die Waden hinaufspritzte. Mit einem saugenden Laut kam ihr Fuß frei, aber ohne Schuh. Sie fluchte und hastete weiter. Sie würde sich den Tod holen, wenn sie in solch einer Nacht mit einem nackten Fuß herumlief, doch jetzt war keine Zeit, im Schlamm herumzustochern.
    In Morgenes’ Studierstube brannte Licht, aber es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich Schritte näherten. Als er die Tür öffnete, sah sie, dass er schon im Bett gewesen war: Er trug ein langes, zerschlissenes Nachthemd und rieb sich im hellen Lampenlicht benommen die Augen. Das zerwühlte Bett, das, umgeben von einer sich bedrohlich nach innen neigenden Palisade aus Büchern, am äußersten Ende des Zimmers stand, ließ Rachel an das Nest irgendeines scheußlichen Untiers denken.
    »Doktor, kommt schnell!«, rief sie. »Ihr müsst Euch beeilen!«
    Morgenes starrte sie an und trat einen Schritt zurück. »Tretet ein, Rachel. Ich habe zwar keine Ahnung, welches nächtliche Herzklopfen Euch hergeführt hat, aber wenn Ihr schon einmal da seid …«
    »Nein, nein, seid nicht töricht, es ist Susanna! Ihre Zeit ist gekommen, aber sie ist sehr schwach. Ich habe Angst um sie.«
    »Wer? Was? Also gut. Nur einen Augenblick, ich suche meine Sachen zusammen. Was für eine furchtbare Nacht! Geht nur vor, ich hole Euch schon ein.«
    »Aber, Doktor Morgenes, ich habe die Laterne für Euch mitge …«
    Zu spät. Die Tür fiel ins Schloss, und Rachel stand allein auf den Stufen. Von ihrer langen Nase tropfte der Regen. Fluchend lief sie zurück zu den Kammern der Mägde.
    Es dauerte nicht lange, bis Morgenes die Treppen hinaufstampfte und sich das Wasser vom Mantel schüttelte. Von der Tür aus überschaute er die Szene mit einem einzigen Blick: auf dem Bett eineFrau mit abgewandtem Kopf, hochschwanger, stöhnend. Dunkles Haar fiel ihr ins Gesicht, und ihre schweißnassen Finger umklammerten die Hand einer anderen jungen Frau, die neben ihr kniete. Am Fußende des Bettes stand Rachel mit einer älteren Frau.
    Diese trat auf Morgenes zu, während er seine zahlreichen Überkleider abwarf.
    »Nun, Elispeth«, sagte er ruhig. »Wie sieht es aus?«
    »Nicht gut, fürchte ich, Herr. Ihr wisst, dass ich sonst allein damit fertig geworden wäre. Sie müht sich seit Stunden, und sie blutet. Ihr Herz ist sehr schwach.« Bei diesen Worten trat auch Rachel näher.
    »Hmmm.« Morgenes bückte sich und wühlte in dem mitgebrachten Sack. »Bitte gebt ihr etwas hiervon«, sagte er zu Rachel und reichte ihr eine verkorkte Phiole. »Nur einen Schluck, aber achtet darauf, dass sie ihn auch zu sich nimmt.« Während er weiter in seiner Tasche suchte,

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