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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ist, als dass man sich mit den anderen Fragen beschweren sollte. Wir Trolle sagen: ›Mach die Philosophie zu deinem Abendgast, aber lade sie nicht zum Übernachten ein.‹ Nun, falls meine Frage nicht von allzu neugieriger Beschaffenheit für dich ist, wohin willst du?«
    Simon erhob sich mit Knien, die steif waren wie ungeölte Scharniere. Wieder befielen ihn Zweifel. Konnte die Neugier des kleinen Mannes wirklich so unschuldig sein, wie es den Anschein hatte? Schon mindestens einmal hatte er den Irrtum begangen, jemandem sein Vertrauen zu schenken, der es nicht verdiente – dem verfluchten Mönch. Andererseits, was hatte er für eine Wahl? Er brauchte dem Troll ja nicht alles zu erzählen, und auf jeden Fall war es vorteilhaft, mit einem in den Waldläuferkünsten erfahrenen Begleiter zu reisen. Der kleine Mann schien sich hervorragend auszukennen, und plötzlich sehnte sich Simon danach, wieder jemanden zu haben, auf den er sich stützen konnte.
    »Ich will nach Norden«, sagte er und ging dann bewusst ein Risiko ein. »Nach Naglimund.« Er beobachtete den Troll scharf. »Und du?«
    Binabik war damit beschäftigt, seine wenigen Gerätschaften in den Rucksack zu packen. »Letzten Endes werde ich wohl in den hohen Norden reisen«, antwortete er, ohne aufzublicken. »Es scheint, als fielen unsere Pfade ein gutes Stück zusammen.« Jetzt hob er die dunklen Augen. »Wie seltsam, dass du gerade nach Naglimund reisen willst, einer Feste, deren Namen ich in den letzten Wochen so häufig gehört habe.« Ein winziges, geheimnisvolles Lächeln kräuselte seine Lippen.
    »Wirklich?« Simon hatte den Weißen Pfeil aufgehoben und bemühte sich, gleichgültig auszusehen, so als überlege er nur, wie er den Pfeil befördern solle. »Und wo?«
    »Zeit zum Reden wird sein, wenn wir unterwegs sind.« Der Troll grinste, ein breites, freundliches, gelbes Grinsen. »Ich muss Qantaqa rufen, die gewiss damit beschäftigt ist, Grauen und Verzweiflung unter den Nagetieren der Gegend zu verbreiten. Sei eingeladen,jetzt deine Blase zu leeren, damit wir dann geschwind ausschreiten können.«
    Simon hielt den Weißen Pfeil zwischen zusammengebissenen Zähnen fest, während er Binabiks Rat befolgte.

18
Ein Netz aus Sternen

    lasen an den wunden Füßen, die Kleider in Fetzen, stellte Simon trotzdem fest, dass die Last der Verzweiflung ein wenig leichter zu werden begann. Sein zurückliegendes Unglück hatte ihm an Geist und Körper übel mitgespielt, sodass Simon sich einen ständig aufgeschreckten Blick und einen beinahe instinktiven Fluchtreflex angewöhnt hatte, was dem scharfen Blick seines neuen Gefährten nicht entgangen war. Aber der Schrecken, der ihn bedrückte, war ein kleines Stück weit zurückgedrängt worden; zumindest für den Augenblick hatte er sich in eine weitere schmerzliche und nur halb erinnerte Vergangenheit verwandelt. Die unerwartete Gemeinschaft half, den Schmerz um die verlorenen Freunde und die verlorene Heimat zu lindern – wenigstens soweit Simon das zuließ. Einen großen, geheimen Teil seiner Gedanken und Gefühle behielt er auch weiterhin für sich. Er war immer noch voller Misstrauen und nicht bereit, sich auf Neues einzulassen und dabei vielleicht weitere Enttäuschungen in Kauf zu nehmen.
    Während sie durch die kühlen, von Vogelgezwitscher erfüllten Hallen des Morgenwaldes wanderten, erklärte Binabik Simon, dass er von den Höhen seiner Heimat Yiqanuc heruntergestiegen war, wie er das jedes Jahr einmal zu tun pflegte, weil er »Geschäfte« zu besorgen hatte – eine Reihe von Erledigungen, die ihn bis ins östliche Hernystir und auch nach Erkynland führten. Simon gewann den Eindruck, dass es dabei um eine Art Handel ging.
    »Doch ach! – mein junger Freund, welche Wirren finde ich in dieser Frühjahrszeit! Eure Völker sind so unruhig, so voller Angst!« Binabik rang in gespielter Aufregung die Hände. »In den äußeren Provinzen ist der König nicht beliebt, nicht wahr? Und in Hernystirfürchten sie ihn. An anderen Orten gibt es Zorn und Hungersnöte. Die Menschen wagen nicht mehr zu reisen, denn die Straßen sind nicht sicher. Nun gut«, er grinste, »wenn du die Wahrheit hören willst, waren die Straßen nie sicher, zumindest nicht in den einsamen Landstrichen; aber es stimmt wirklich, dass sich im Norden von Osten Ard die Lage verschlechtert hat.«
    Simon beobachtete die senkrechten Lichtsäulen, die die Mittagssonne zwischen die Baumstämme gesetzt hatte. »Bist du schon einmal nach Süden

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