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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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– Crohuck, wie wir sie nennen – und meinem Qanucvolk.«
    »Das tut mir leid«, sagte Simon und dachte schuldbewusst an die Bewunderung, die er dem alten Herzog Isgrimnur entgegengebracht hatte – der bei näherer Überlegung allerdings auch kein Mensch zu sein schien, der unschuldige Trolle niedermetzeln würde, selbst wenn er sonst als recht reizbar galt.
    »Leid? Das sollte es dir nicht tun. Ich nämlich meinerseits finde, dass die Männer – und Frauen – von Rimmersgard ungeschickt und dumm sind und an übermäßiger Körpergröße leiden, aber ich halte sie darum nicht für böse oder glaube, dass man sie totmachen sollte. Ach ja«, seufzte der kleine Mann und schüttelte den Kopf wie ein philosophierender Priester in einer verrufenen Schenke, »die Rimmersmänner sind mir ein Rätsel.«
    »Aber was ist mit den Wölfen?«, bohrte Simon nach und schalt sich sofort im Stillen aus, weil er Binabik schon wieder unterbrochen hatte. Diesmal schien es dem Troll nichts auszumachen.
    »Mein Volk lebt auf dem zerklüfteten Mintahoq, in dem Gebirge, das die Rimmersgarder Troll-Fjälle nennen. Wir reiten die zottigen Widder mit den behenden Füßen, die wir vom winzigen Lämmchen aufziehen, bis sie genügend Größe besitzen, uns über die Bergpässe zu tragen. Nichts, junger Freund, gibt es auf dieser Welt, das völlig dem Gefühl gleichkommt, ein Widderreiter von Yiqanuc zu sein. Auf deinem Tier zu sitzen und den Pfaden des Daches der Welt zu folgen … mit einem einzigen Sprung über Felsspalten zu setzen, die so sehr tief, so wundersam tief sind, dass ein Stein, den du fallen lässt, einen halben Tag brauchen würde, bis er unten ankommt …«
    Binabik lächelte und kniff in seligen Träumen die Augen zusammen. Simon versuchte, sich solche Höhen auszumalen. Dabei wurde ihm auf einmal leicht schwindlig, und er musste sich mit den Handflächen auf den beruhigenden Stein stützen. Er schaute hinab. Wenigstens lag dieser Gipfel nicht mehr als mannshoch über der Erde.
    »Qantaqa war ein Welpe, als ich sie fand«, fuhr Binabik endlich fort.
    »Ihre Mutter war vermutlich getötet worden oder vor Hunger gestorben. Sie hat mich angeknurrt, als ich sie entdeckte, eine weiße Pelzkugel, die sich im Schnee durch ihre schwarze Nase verraten hatte.« Er lächelte. »Ja, jetzt ist sie grau. Wölfe – wie Menschen – wechseln oft die Farbe, wenn sie wachsen. Ich merkte, dass ich … gerührt war, weil sie sich verteidigen wollte. Ich nahm sie mit nach Hause. Mein Meister …« Binabik hielt inne. Der rauhe Schrei eines Hähers füllte die Unterbrechung. »Mein Meister sagte, wenn ich sie Qinkipa, der Schneejungfrau, aus den Armen risse, übernähme ich damit Elternpflichten … Meine Freunde hielten mich für unvernünftig. ›Aha!‹, entgegnete ich. ›Ich werde diesen Wolf lehren, mich zu tragen wie ein Widder mit Hörnern.‹ Man glaubte mir nicht – es war etwas, das noch nicht vorgekommen war. So viele Dinge sind Dinge, die noch nicht vorgekommen sind …«
    »Wer ist dein Meister?« Unter ihnen rollte sich Qantaqa, die in einer Sonnenpfütze ein Nickerchen gemacht hatte, auf den Rücken und strampelte mit den Beinen. Ihr weißes Bauchfell war üppig wie ein Königsmantel.
    »Das, Simon-Freund, ist eine andere Geschichte und keine für heute. Doch, um zum Ende zu kommen, will ich sagen, dass ich Qantaqa tatsächlich beibrachte, mich zu tragen. Es war eine sehr –«, er verzog die Oberlippe, »amüsante Erfahrung. Aber ich fühle kein Bedauern darüber. Ich reise viel und weiter als meine Stammesgenossen. Ein Widder ist ein wundervolles Tier zum Springen, aber von geringem Verstand. Ein Wolf ist schlau-schlau-schlau, und er ist anhänglich wie eine unbezahlte Schuld. Weißt du, dass Wölfe, wenn sie einen Gefährten wählen, das nur einmal und für ihr ganzes Leben tun? Qantaqa ist meine Freundin, und ich ziehe sie jedem Schaf entschieden vor. Ja, Qantaqa? Ja?«
    Die Wölfin setzte sich auf und richtete die großen, gelben Augen auf Binabik. Sie neigte den Kopf und stieß ein kurzes Gebell aus.
    »Siehst du?«, grinste der Troll. »Komm jetzt, Simon. Ich denke, wir sollten uns ans Marschieren machen, solange die Sonne hoch am Himmel steht.« Er rutschte den Felsen hinunter, und der Junge folgte ihm, auf einem Bein hüpfend, während er seine kaputten Schuhe anzog.
    Im Laufe des Nachmittages, während sie zwischen den dicht stehenden Bäumen dahinstapften, beantwortete Binabik Fragen über seine Reisen und zeigte eine

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