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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hüpfende Gewirr aus Armen und Augen enthalten mochte, aber es waren mehr als nur einige.
    »Nihut, Qantaqa!«, schrie Binabik. Sofort sprang die Wölfin auf sie zu; sie quakten in pfeifendem Entsetzen, als das große Tier über sie kam.
    »Wir haben keine Zeit mehr zu vergeuden, Simon«, fauchte der Troll. Donner krachte über die Ebene, als er das Messer aus dem Gürtel riss und Simon in die Höhe zerrte. »Die Männer des Herzogs halten jetzt stand, aber ich habe keine Möglichkeit zu verhindern, dass du in diesem letzten Ringen getötet wirst.«
    Inmitten der Erdgräber stand Qantaqa, eine graupelzige Todesmaschine. Ihre gewaltigen Kiefer bissen zu, sie schüttelte sich und biss von neuem um sich; dünne schwarze Körper wurden nach allenSeiten geschleudert und stürzten in vernichteten Haufen übereinander. Weitere strömten heran, während das Knurren der Wölfin das Tosen des Sturms übertönte.
    »Aber … aber …« Simon blieb stehen, als Binabik zu seinem Reittier gehen wollte.
    »Es war mein festes Versprechen, dich zu schützen«, erklärte Binabik und zog ihn mit sich fort. »So lautete Doktor Morgenes’ Wunsch.«
    »Doktor … du kennst Doktor Morgenes?«
    Simon starrte ihn mit bebendem Mund an. Binabik blieb stehen und pfiff zweimal. Mit einem letzten verzückten Schauder schüttelte Qantaqa zwei der Wesen zur Seite und sprang zu ihrem Herrn zurück.
    »Nun lauf, närrischer Junge!«, rief Binabik. Sie rannten, Qantaqa voran – in großen Sätzen wie ein Hirsch, die Schnauze schwarz von Blut –, Binabik hinterher. Als letzter kam Simon, stolpernd und taumelnd über die schlammige Ebene, und der Sturm schrie Fragen, auf die es keine Antwort gab.

22
Ein Wind von Norden

    ein, ich brauche verdammt noch mal gar nichts!« Guthwulf, Graf von Utanyeat, spuckte Citrilsaft auf den Steinfuß boden, und der Page huschte mit weit aufgerissenen Augen eilig aus dem Zimmer. Guthwulf sah ihm nach und bereute seine übereilten Worte – nicht, weil ihm der Junge leid getan hätte, sondern weil ihm plötzlich eingefallen war, dass er vielleicht doch etwas brauchte. Schon fast eine Stunde wartete er vor dem Thronsaal, ohne dass er einen Tropfen zum Trinken gehabt hätte, und Ädon allein wusste, wie lange er hier noch herumsitzen und vor sich hinmodern musste.
    Wieder spie er aus. Der scharfe Citril brannte auf Zunge und Lippen. Fluchend wischte er sich einen Speichelfaden vom langen Kinn. Im Gegensatz zu einem Großteil der Männer, die er befehligte, hatte Guthwulf nicht die Angewohnheit, ständig ein Stück der bitteren Wurzel aus dem Süden in der Backentasche zu tragen, aber in diesem unheimlichen, feuchten Frühling, in dem er sich tagelang auf dem Hochhorst eingesperrt fand und darauf wartete, dass der König einen Auftrag für ihn hatte, war ihm jede Ablenkung, und sei es auch nur die eines verbrannten Gaumens, willkommen.
    Außerdem kam es ihm vor – was zweifellos an der feuchten Witterung lag –, als röchen die Hallen des Hochhorsts nach Schimmel, Schimmel und … nein, »Fäulnis« war ein zu überspannter Ausdruck. Jedenfalls schien das starke Citrilaroma dagegen zu helfen.
    Gerade hatte sich Guthwulf erhoben und seinen Stuhl verlassen, um das ohnmächtige, grimmige Hin- und Herwandern wiederaufzunehmen, mit dem er den größten Teil der Wartezeit verbracht hatte, als die Thronsaaltür knarrte und nach innen schwang. In derÖffnung erschien Pryrates’ nackter Kopf mit den schwarzen Augen, flach und glänzend wie bei einer Echse.
    »Ah, guter Utanyeat!« Pryrates zeigte sein Gebiss. »Wie lange wir Euch warten ließen. Der König ist jetzt bereit, Euch zu empfangen.« Der Priester zog die Tür weiter nach innen, sodass sein Scharlachgewand und ein Stück der hohen Halle hinter ihm sichtbar wurden. »Bitte«, sagte er.
    Beim Eintreten musste Guthwulf sehr dicht an Pryrates vorbei. Er zog die Brust ein, um die Berührung möglichst flüchtig zu halten. Warum stellte sich der Mann so eng neben ihn? Wollte er Guthwulf ärgern – zwischen der Hand des Königs und dem königlichen Ratgeber herrschte keinerlei Zuneigung –, oder versuchte er, die Tür so gut wie möglich geschlossen zu halten? Die Burg war kalt in diesem Frühjahr, und wenn jemand ein wenig Wärme verdient hatte, dann Elias. Vielleicht wollte Pryrates nur keine Kälte in den weitläufigen Thronsaal lassen.
    Nun, wenn das seine Absicht war, hatte er vollständig versagt. Kaum hatte Guthwulf die Schwelle überschritten und die Tür im

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