Der Drachenbeinthron
Rücken, als er fühlte, wie sich kalte Luft auf ihn herabsenkte und die Haut seiner kräftigen Arme in Gänsehaut verwandelte. Er warf einen Blick am Thron vorbei und bemerkte, dass mehrere der Oberlichte offen standen, mit Stöcken festgeklemmt. Die kalte Nordluft, die von dort hereindrang, zerrte an den Flammen der Fackeln und ließ sie in ihren Glutpfannen tanzen.
»Guthwulf!«, dröhnte Elias und erhob sich halb von seinem Sessel aus vergilbten Knochen. Über seiner Schulter grinste der gewaltige Drachenschädel. »Ich schäme mich, dass ich dich warten ließ. Komm näher!«
Guthwulf schritt über den fliesenbelegten Mittelgang und gab sich Mühe, nicht zu zittern. »Ihr müsst Euch um vieles kümmern, Majestät. Das Warten macht mir nichts aus.«
Elias setzte sich auf seinem Thron zurecht, und der Graf von Utanyeat beugte vor ihm das Knie. Der König trug ein schwarzes, grün und silbern besticktes Hemd. Stiefel und Hosen waren ebenfalls schwarz. Hoch auf der bleichen Stirn saß Fingils eiserne Krone, und in der Scheide an seiner Seite hing das Schwert mit dem seltsamgekreuzten Griff. Seit Wochen hatte man ihn nicht mehr ohne es gesehen, aber Guthwulf hatte keine Ahnung, woher es stammte. Der König hatte nie etwas darüber gesagt, und es war etwas Wunderliches und Unheimliches an der Klinge, das Guthwulf am Fragen hinderte.
»Setz dich.« Elias deutete auf eine Bank, wenige Schritte hinter der Stelle, an der der Graf kniete. »Seit wann macht dir das Warten nichts mehr aus, Wolf? Denk nicht, dass ich blind und dumm geworden bin, nur weil ich jetzt König bin.« Elias grinste schief.
»Ich bin sicher, wenn Ihr etwas für Eure Königliche Hand zu tun habt, werdet Ihr es mir mitteilen.«
Zwischen Guthwulf und seinem alten Freund Elias hatte sich viel verändert, und der Graf von Utanyeat war darüber nicht glücklich. Elias war nie verschlossen gewesen, jetzt aber spürte Guthwulf gewaltige verborgene Strömungen unter der Oberfläche des Alltäglichen, Strömungen, von denen der König vorgab, dass sie gar nicht existierten. Alles war anders geworden, und Guthwulf wusste genau, wer daran schuld war. Er schaute über Elias’ Schulter auf Pryrates, der ihn mit starrem Blick beobachtete. Als ihre Augen sich trafen, hob der rot gekleidete Priester eine haarlose Braue, als wolle er eine spöttische Frage stellen.
Der König rieb sich kurz die Schläfen. »Du wirst bald Arbeit genug und übergenug haben, das verspreche ich dir. Ach, mein Kopf. Eine Krone ist wahrlich eine schwere Last, Freund. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte sie ablegen und einfach fortgehen, wie wir es früher so oft getan haben – als freie Gefährten der Straße!« Elias wandte sein grimmiges Lächeln von Guthwulf zu seinem Ratgeber. »Priester, mein Kopf schmerzt mich wieder. Bringt mir Wein, ja?«
»Sofort, Herr.« Pryrates verschwand im Hintergrund des Thronsaales.
»Wo sind Eure Pagen, Majestät?«, fragte Guthwulf. Der König sah entsetzlich müde aus, fand er. Auf seinen unrasierten Wangen traten die Stoppeln hervor, schwarz auf der fahlen Haut. »Und warum, mit Verlaub, verkriecht Ihr Euch in diesem Eiskeller? Hier drin ist es kalt wie im schwarzen Arsch des Teufels; außerdem riecht es nach Schimmel. Lasst mich ein Feuer im Kamin anzünden.«
»Nein.« Elias bewegte abwehrend die breite Hand. »Ich möchte es nicht wärmer haben. Mir ist schon warm genug. Pryrates sagt, es ist nur ein Schüttelfrost. Aber was immer es auch sein mag, ich empfinde die kalte Luft als angenehm. Und es weht von überall kräftig herein, sodass man weder Stickigkeit noch üble Launen fürchten muss.«
Pryrates war mit dem Pokal des Königs zurückgekommen. Elias leerte ihn in einem Zug und trocknete sich mit dem Ärmel die Lippen ab.
»In der Tat, es weht kräftig, Majestät.« Guthwulf grinste säuerlich. »Nun, mein König, Ihr … und Pryrates … wisst es am besten und braucht gewiss nicht den Rat eines schlichten Kriegsmannes. Kann ich Euch auf andere Weise dienen?«
»Ich denke, du kannst es, obwohl dir die Aufgabe vielleicht nicht sonderlich angenehm sein mag. Doch sag mir erst, ob Graf Fengbald zurückgekehrt ist.«
Guthwulf nickte. »Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen, mein König.«
»Ich habe ihn rufen lassen.« Elias hielt den Becher hin, und Pryrates brachte die Kanne und goss ihm mehr Wein ein. »Aber da du ihn schon gesehen hast, sag mir, ob er gute Nachrichten mitbringt?«
»Ich fürchte, nein. Der Spion, den Ihr
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