Der Drachenbeinthron
heimzahlen, du … heimzahlen!«
Rachel, ein Auge auf den Grafen geheftet, bückte sich und hob die durchnässte Ecke des Wandbehanges aus dem Wasser. Sie konnte ihn im Augenblick nicht wieder aufhängen und stand nur da, sah zu, wie er tropfte, während Fengbald tobte.
»Schau! Schau dir meine Stiefel an! Dafür lasse ich dieser dreckigen Hure den Hals abschneiden!« Der Graf richtete den Blick auf Rachel. »Wie kannst du es wagen, sie fortzuschicken?«
Rachel schlug die Augen nieder, was nicht schwierig war, weil der junge Edelmann sie um mindestens einen Fuß überragte. »Es tut mir leid, Herr«, erwiderte sie, und ehrliche Furcht legte einen überzeugenden Klang von Respekt in ihre Stimme. »Sie ist ein dummes Mädchen und wird ihre Prügel bekommen, aber ich bin die Oberste der Kammerfrauen, und die Verantwortung, Gebieter, liegt bei mir. Es tut mir leid, sehr leid.«
Fengbald starrte einen Augenblick auf sie herunter, und seine Augen wurden schmal. Pfeilschnell hob er den Arm und schlug Rachel ins Gesicht. Ihre Hand flog an das rote Mal, das sich auf ihrer Wange ausbreitete und wuchs wie die Pfütze auf den Steinplatten.
»Dann gib der fetten Schlampe das«, fauchte Fengbald, »und sag ihr, wenn sie mir noch einmal begegnet, drehe ich ihr den Hals um.« Er warf der Obersten der Kammerfrauen einen bösen Blick zu und ging dann schnell weiter die Halle hinunter. Er hinterließ eine feucht schimmernde Absatz-und-Spitzen-Spur auf den Fliesen.
Und er brächte es fertig, überlegte Rachel später, als sie auf ihrem Bett saß und sich einen nassen Waschlappen an die brennende Wange hielt. Auf der anderen Seite der Halle schluchzte Jael im Schlafsaal der Mägde. Rachel hatte nicht das Herz gehabt, sie auch nur anzuschreien, aber der Anblick von Rachels geschwollenem Gesicht war Strafe genug gewesen und hatte das plumpe, weichherzige Mädchen in einen fürchterlichen Weinkrampf fallen lassen.
Süße Rhiap und Pelippa, lieber lasse ich mich nochmals schlagen, als mir dies Gewimmer länger anzuhören.
Rachel drehte sich auf ihrem harten Strohsack um – sie hatte ein Brett daruntergelegt, weil ihr ständig der Rücken weh tat – und zog sich die Decke über den Kopf, um das Geräusch von Jaels Heulerei zu dämpfen. Im Schutz der Decke konnte sie ihren eigenen warmen Atem auf dem Gesicht fühlen.
So muss es der Wäsche im Korb zumute sein, dachte sie und schalt sich sogleich ob solcher Einfältigkeit. Du wirst alt, Frau … alt und nutzlos. Plötzlich merkte sie, dass ihr die Tränen kamen, die ersten, die sie seit der Nachricht über Simon vergossen hatte.
Ich bin einfach müde. Manchmal glaube ich, ich falle um, wo ich gerade stehe, kippe diesen jungen Ungeheuern vor die Füße wie ein zerbrochener Besen – in meiner Burg trampeln sie herum, behandeln uns wie Dreck – würden mich wahrscheinlich am liebsten mit dem Staub hinauskehren. So müde … wenn nur … wenn …
Die Luft unter der Decke war dick und warm. Rachel hatte aufgehört zu weinen – was nützen schon Tränen? Lass sie den törichten, leichtsinnigen Mädchen – und fühlte, wie der Schlaf sie überkam, wie sie seiner Schwere erlag, als ertrinke sie in warmem, klebrigem Wasser.
Und in ihrem Traum war Simon nicht tot, war nicht in dem schrecklichen Feuer gestorben, das auch Morgenes getötet hatte und mehrere von den Wachen, die herbeigeeilt waren, um zu löschen. Sogar Graf Breyugar, hieß es, war bei der Katastrophe umgekommen, erschlagen, als das brennende Dach einstürzte … Nein, Simon war am Leben und gesund. Etwas an ihm war anders, aber Rachel konnte nicht sagen, was – der Blick, die härtere Kinnlinie? –, doch darauf kam es auch nicht an. Es war Simon, lebendig, und während sie so träumte, war Rachels Herz wieder voll. Sie sah ihn, den toten Jungen – ihren Jungen eigentlich, denn hatte sie ihn nicht großgezogen wie eine Mutter, bevor er ihr genommen wurde? –, und er stand an einem Ort von fast fleckenlosem Weiß und starrte einen großen, weißen Baum hinauf, der in die Lüfte ragte wie eine Leiter zu Gottes Thron. Und obwohl er so entschlossen dastand, den Kopf zurückgeworfen, die Augen auf den Baum gerichtet, konnte Rachel nicht umhin zu bemerken, dass sein Haar, dieses dicke, rötliche Gestrüpp, dringend geschnitten werden musste … nun, darum würde sie sich schon kümmern, kein Zweifel … der Junge brauchte eine feste Hand …
Als sie aufwachte und sich ganz erschreckt die erstickende Decke herunterriss, nur
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