Der Drachenbeinthron
hatte es sich.
Das Krebslein machte ein platschendes Geräusch, als Tiamak es wieder ins Wasser fallen ließ. Er machte sich nicht die Mühe, die Falle neu zu versenken.
Als er die lange Leiter von seinem vertäuten Boot zu dem kleinen Häuschen oben im Banyanbaum hinaufstieg, schwor sich Tiamak, mit Suppe und einem Keks zufrieden zu sein. Er erinnerte sich selber daran, dass Völlerei eines der Hindernisse war, die die Seele von den Gefilden der Wahrheit trennten. Schwankend erreichte er mit Hilfe der Leiter die Veranda vor dem Haus und dachte dabei an Sie-diedie-Menschheit-gebar, die nicht einmal eine schöne Schale Wurzelsuppe gehabt, sondern sich einzig und allein von Steinen, Erde und Sumpfwasser ernährt hatte, bis sie sich in ihrem Magen vereinten und sie einen Wurf Lehmwesen zur Welt brachte – die ersten Menschen.
Also, das machte Wurzelsuppe zu einem wirklichen Genuss, oder nicht? Außerdem hatte Tiamak ohnehin noch viel zu tun, zum Beispiel die Manuskriptseite mit dem Fleck auszubessern oder neu zu schreiben. Unter seinen Stammesgenossen galt er lediglich als sonderbar, aber irgendwo auf der Welt musste es Menschen geben, die den von ihm überarbeiteten Text von Die unfelbarn Heylmittel der Wranna-Heyler lesen und erkennen würden, dass es auch in den Marschen wahrhaft gelehrte Köpfe gab. Aber ach! Ein Krebs wäre wirklich willkommen gewesen – und ein Krug Farnbier nicht minder.
Als Tiamak seine Hände in der Wasserschüssel wusch, die er hinausgestellt hatte, als er fortgegangen war – hockend, weil zwischen seinem glattpolierten Schreibbrett und dem Wasserkrug kein Platz zum Sitzen war –, hörte er auf dem Dach ein kratzendes Geräusch.Er trocknete sich die Hände an seinem Hüfttuch und lauschte gespannt. Da war es wieder, ein trockenes Rascheln, als führe jemand mit Tiamaks zerbrochener Schreibfeder über das Schilfdach.
Es dauerte nur eine Sekunde, bis er aus dem Fenster geschlüpft und Hand über Hand auf das schräge Dach geklettert war. Er packte einen der langen, gekrümmten Äste des Banyan und stieg ganz nach oben, wo auf dem Dachgiebel ein kleiner, mit Baumrinde gedeckter Kasten saß, ein Häuschen-Kind auf dem Rücken von Mutter Haus. Tiamak steckte den Kopf in das offene Ende des Kastens.
Und tatsächlich, da war er, ein grauer Sperling, der munter die auf den Boden gestreuten Körner aufpickte. Tiamak streckte eine sanfte Hand aus und griff nach ihm. Dann kletterte er, so vorsichtig er konnte, wieder vom Dach hinunter und glitt zum Fenster hinein.
Er setzte den Sperling in den Krabbenkäfig, den er für solche Anlässe am Dachbalken aufgehängt hatte, und zündete rasch ein Feuer an. Als auf dem steinernen Herd die Flammen zu züngeln begannen, holte er den Vogel aus dem Käfig. Seine Augen brannten, als der Rauch sich zum Deckenloch emporkräuselte.
Der Sperling hatte ein paar Schwanzfedern verloren und hielt einen Flügel leicht abgespreizt, als hätte er auf dem Weg von Erkynland herunter ein paar Abenteuer zu bestehen gehabt. Tiamak wusste, dass er aus Erkynland kam, weil es der einzige Sperling war, den er je aufgezogen hatte.
Seine anderen Vögel waren Marschtauben, aber aus irgendeinem Grund hatte Morgenes auf Sperlingen bestanden – er war eben ein komischer alter Kauz.
Nachdem er einen Topf Wasser aufs Feuer gesetzt hatte, tat Tiamak sein Bestes für den steifen Silberflügel und stellte dann dem Vogel weitere Körner und eine hohlgewölbte Baumrinde mit Wasser hin. Er war versucht, mit dem Lesen der Botschaft so lange zu warten, bis er gegessen hatte, um den Genuss der Neuigkeiten aufzuschieben und so die Vorfreude zu verlängern, aber an einem Tag wie dem heutigen wäre so viel Geduld zu viel verlangt gewesen. Er zerstampfte ein wenig Reismehl im Mörser, fügte etwas Pfeffer und Wasser hinzu, rollte die Mischung aus und formte sie zu einem Kuchen, den er zum Backen auf den Feuerstein legte.
Der um das Sperlingsbein gewickelte Pergamentstreifen war an den Enden ausgefranst und die Druckschrift verschmiert, als wäre der Vogel mehr als nur etwas nass geworden. Aber Tiamak war derlei gewöhnt und hatte den Inhalt schnell entziffert. Die Angabe des Schreibdatums überraschte ihn: Der graue Sperling hatte fast einen Monat für die Reise nach Wran gebraucht. Aber noch mehr überraschte ihn die Botschaft selbst, und es war nicht die Art Überraschung, auf die er gehofft hatte.
Mit dem Gefühl eines kalten Gewichtes im Magen, das jeden Hunger verdrängte, trat er ans
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