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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Handgelenk, gerade oberhalb des Fausthandschuhs aus Fell, war in grellen Farben der Kopf einer Schlange zu sehen, in Blau und Schwarz und Blutrot auf die Haut gezeichnet.
    Der Schlangenkörper ringelte sich spiralförmig den Arm des Alten hinauf, verschwand an der Schulter unter dem Hemd und kam in geschmeidigen Windungen auf dem linken Arm wieder zum Vorschein, um am linken Handgelenk in einem verschnörkelten Schwanz zu enden. Die leuchtenden Farben hoben sich scharf von dem eintönigen Winterwald und der weißen Kleidung und Haut des Mannes ab; aus kurzer Entfernung sah es aus, als kämpfe eine Flügelschlange, in der Luft in zwei Teile zerhackt, zwei Ellen über der Erde ihren Todeskampf.
    Der alte Mann achtete nicht auf die Gänsehaut auf seinen Armen,bis er seine Jacke über das Bündel gelegt und die losen Falten daruntergesteckt hatte. Dann nahm er aus einem Beutel in seinem Unterhemd ein ledernes Säckchen, drückte einen Strang gelbes Fett heraus und rieb es rasch über seine entblößte Haut, wodurch die Schlange zu glänzen anfing, als sei sie gerade eben einem feuchten Dschungel des Südlandes entsprungen. Als er fertig war, hockte er sich von neuem wartend auf die Fersen. Er war hungrig, aber er hatte am Vorabend seinen letzten Reiseproviant verzehrt. Doch darauf kam es nicht an, denn die, auf die er wartete, würden sich bald einfinden, und dann würde es auch zu essen geben.
    Mit gesenktem Kinn, die Kobaltaugen schwelend unter eisigen Brauen, beobachtete Jarnauga die Wege nach Süden. Er war ein alter, ein uralter Mann, und die Unbilden der Zeit und des Wetters hatten ihn abgehärtet und hager gemacht. In gewisser Weise freute er sich auf die Stunde, die nicht mehr fern war, wenn der Tod ihn rufen und in seine dunkle, stille Halle holen würde. Schweigen und Einsamkeit waren ohne Schrecken für ihn, sie waren Kette und Schuss im Gewebe seines langen Lebens gewesen. Er wollte nur die Aufgabe zu Ende bringen, die man ihm anvertraut hatte, eine Fackel weitergeben, die anderen in der Dunkelheit, die vor ihnen lag, leuchten könnte; dann würde er leben und Körper so leicht abschütteln wie jetzt den Schnee, der auf seinen nackten Schultern lag.
    Er dachte an die feierlichen Hallen, die an der letzten Biegung seines Weges auf ihn warteten, und sein geliebtes Tungoldyr fiel ihm ein, das er vor vierzehn Tagen verlassen hatte. Als er am letzten Tag auf seiner Türschwelle gestanden hatte, lag die kleine Stadt, in der er den größten Teil seiner neunzig Jahre verbracht hatte, so leer vor ihm wie das sagenhafte Huelheim, das nach getaner Arbeit auf ihn wartete. Schon vor Monaten hatten alle anderen Einwohner von Tungoldyr die Flucht ergriffen; nur Jarnauga war in dem Dorf zurückgeblieben, das den Namen Mondtür trug, hoch oben im hohen Himilfjällgebirge, doch immer noch vom fernen Sturmrspeik überschattet wurde – der Sturmspitze. Der Winter war zu einer Kälte erstarrt, die selbst die Rimmersmänner von Tungoldyr noch nie erlebt hatten, und die nächtlichen Lieder des Windes hatten sich in etwas verwandelt, das wie Heulen und Weinen klang und das dieMänner in den Wahnsinn trieb, bis sie eines Morgens lachend inmitten ihrer toten Familien aufgefunden wurden.
    Nur Jarnauga war in seinem kleinen Haus zurückgeblieben, als die Eisnebel in den Bergpässen und den engen Gassen des Ortes dick wie Wolle geworden waren und die schrägen Dächer von Tungoldyr in den Wolken zu schwimmen begannen wie die Schiffe gespenstischer Krieger. Niemand außer Jarnauga war Zeuge gewesen, wie die flackernden Lichter der Sturmspitze immer heller und heller brannten, hatte den Klang einer ungeheuren, rauhen Musik gehört, die im Rollen des Donners an- und abschwoll und über die Berge und Täler dieser nördlichsten Provinz von Rimmersgard tönte.
    Jetzt aber hatte auch er – denn gewisse Zeichen und Botschaften hatten ihm verkündet, dass seine Zeit endlich gekommen war – Tungoldyr der schleichenden Finsternis und Kälte überlassen. Jarnauga wusste, dass er, was immer auch geschehen mochte, die Sonne auf den Holzhäusern niemals wiedersehen, dem Singen der Bergbäche, die an seiner Haustür vorbei zum schwellenden Gratuvask hinabplätscherten, nie mehr lauschen würde. Nie wieder würde er in den klaren, dunklen Frühlingsnächten auf seiner Veranda stehen und die Lichter im Himmel anschauen, die schimmernden Nordlichter, die seit seiner Jugend dort geleuchtet hatten – auch nicht die unruhigen, üblen Flammen, die jetzt

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