Der Drachenbeinthron
sie, Inahwen, hat Angst, dachte die Prinzessin. Und was ist mit mir? Bin ich zornig? Ich weiß es gar nicht genau – erschöpft vermutlich.
Der König starrte Elias’ Boten an, und der Raum schien sich zu verdunkeln. Einen Augenblick fürchtete Maegwin, Wolken hätten sich über die Sonne geschoben und der Winter kehre zurück; dann aber verstand sie, dass es nur ihre eigenen trüben Ahnungen waren, das jähe Gefühl, dass es hier um weit mehr ging als nur um ihres Vaters Seelenfrieden.
»Guthwulf«, begann der König, und seine Stimme klang wie von großer Last beschwert, »glaubt nicht, dass Ihr mich heute zum Zorn reizen könnt … doch denkt auch nicht, Ihr könntet mich einschüchtern. König Elias hat bisher keinerlei Verständnis für die Sorgen der Hernystiri gezeigt. Wir haben eine schlimme Trockenzeit hinter uns, und der Regen, für den wir allen Göttern tausendfach Dank gesagt haben, hat sich in einen Fluch verwandelt. Welche Strafe kann Elias mir androhen, die schlimmer ist, als zusehen zu müssen, wie mein Volk in Angst davor lebt, dass unser Vieh verhungert? Ich kann keinen höheren Zehnten bezahlen.«
Einen Moment stand der Graf von Utanyeat stumm, und die Ausdruckslosigkeit seiner Züge verhärtete sich langsam zu etwas, das für Maegwin beunruhigend nach einem Gefühl des Triumphs aussah.
»Keine schlimmere Strafe?«, sagte der Graf und ließ jedes Wort auf der Zunge zergehen, als schmecke es süß. »Kein höherer Zehnt?« Er spie einen Schwall Citrilsaft auf den Boden vor dem Thron. Mehrere von Lluths Kriegern schrien vor Empörung laut auf; der Harfner, der in der Ecke leise vor sich hingespielt hatte, ließ mit misstönendem Krachen sein Instrument fallen.
»Hund!« , G wythinn sprang auf. Sein Schemel fiel klappernd um. In einer blitzschnellen Sekunde war sein Schwert gezogen und lag an Guthwulfs Hals. Der Graf schaute ihn nur an, das Kinn ganz leicht zurückgeworfen.
»Gwythinn!«, rief Lluth scharf. »In die Scheide mit dem Schwert, verdammter Junge!«
Guthwulfs Lippen kräuselten sich. »Lasst ihn doch. Los, Welpe,töte die unbewaffnete Hand des Hochkönigs!« An der Tür entstand ein Klirren, als einige Männer des Herzogs, die sich von ihrer Verblüffung erholt hatten, näher kamen. Guthwulfs Hand fuhr in die Höhe. »Nein! Selbst wenn dieser Welpe mir die Luftröhre von Ohr zu Ohr durchschneidet, soll niemand ihn anfassen! Reitet zurück nach Erkynland. König Elias wird das … interessiert zur Kenntnis nehmen.«
Seine Männer verharrten wie gepanzerte Vogelscheuchen.
»Zurück, Gwythinn«, befahl Lluth, kalten Zorn in der Stimme. Der Prinz, feuerrot im Gesicht, warf dem Erkynländer einen langen Blick zu, dann ließ er die Klinge wieder an seine Seite sinken. Guthwulf strich mit dem Finger über den winzigen Schnitt an seiner Kehle und betrachtete kühl sein eigenes Blut. Maegwin merkte, dass sie den Atem angehalten hatte; beim Anblick des purpurroten Flecks auf der Fingerspitze des Grafen stieß sie ihn pfeifend aus.
»Ihr werdet am Leben bleiben, um Elias persönlich Bericht zu erstatten, Utanyeat.« Nur der Hauch eines Zitterns trübte die Gelassenheit der königlichen Stimme. »Und vergesst nicht, ihm auch von der tödlichen Beleidigung zu erzählen, die Ihr dem Hause Hern zugefügt habt, einer Beleidigung, die Euren Tod bedeutet hätte, wäret Ihr nicht Elias’ Gesandter und die Hand des Königs. Geht jetzt!«
Guthwulf drehte sich um und trat zu seinen Männern, die wutentbrannt hinter ihm standen. Als er sie erreicht hatte, machte er auf dem Absatz kehrt und sah Lluth über die weite Fläche der großen Halle an.
»Erinnert Euch, dass Ihr keinen höheren Zehnten zu zahlen bereit wart, wenn Ihr eines Tages Feuer in den Balken des Taig und das Weinen Eurer Kinder hört.« Dann stapfte er mit schweren Schritten zur Tür hinaus.
Maegwin bückte sich mit zitternden Händen und hob ein Stück der zerschmetterten Harfe auf. Eine gesprungene Saite wand sie sich um die Hand. Sie hob den Kopf, um Vater und Bruder anzuschauen; was sie sah, veranlasste sie, sich wieder dem Holzstück und der Saite zuzuwenden, die sich straff über ihre weiße Haut spannte.
Tiamak hauchte einen leisen Fluch der Wranna-Männer und musterte betrübt den leeren Schilfkäfig. Es war seine dritte Falle, und bisher hatte noch in keiner ein Krebs gesessen. Die Fischkopfköder waren natürlich spurlos verschwunden. Finster starrte er in das schlammige Wasser und hatte plötzlich das unheimliche
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