Der Drachenbeinthron
hatten wir hier Hagel, mit Eiskörnern so groß wie Vogeleier.« Er machte sich daran, das Essen auszupacken. Simon bewunderte die Aussicht. Hier oben auf den hohen Wällen der inneren Feste lag Naglimund zu ihren Füßen wie eine ausgebreitete Decke.
Die Burg schmiegte sich in eine steilwandigen Mulde der Weldhelmberge wie in eine hohle Handfläche. Unter den westlichen Zinnen, ihrem Sitzplatz gegenüber, erstreckte sich die breite Außenmauer der Burg; dahinter senkten sich die krummen Gassen der Stadt Naglimund bis zu den äußeren Stadtmauern hinab. Jenseits dieser Mauern dehnte sich eine fast unendliche Weite felsigen Weidelandes und flacher Hügel.
Auf der anderen Seite, zwischen den östlichen Zinnen und der kahlen, violetten Wand des Weldhelms, führte ein langer, gewundener Pfad vom Kamm des Gebirges herunter. Auf den Hängen zu beiden Seiten dieses Pfades funkelten Tausende von Punkten metallisch im Sonnenlicht
»Was ist das?« Simon zeigte mit dem Finger darauf. Sangfugol kaute und kniff die Augen zusammen
»Die Nägel, meinst du?«
»Was für ›Nägel‹? Ich frage nach diesen langen Stacheln dort am Hang des Berges.«
Der Harfner nickte. »Die Nägel. Was hast du denn gedacht, woher der Name Naglimund kommt? Ihr Hochhorstleute habt euern erkynländischen Wortschatz vergessen. ›Nagel-Feste‹ – nichts anderes bedeutet es. Herzog Aeswides hat sie aufgestellt, als er Naglimund erbaute.«
»Wann war das? Und wozu dienen sie?« Simon starrte sie fasziniert an. Der Wind entführte die Krumen seines Brotes und wirbelte sie über den äußeren Zwinger.
»Einige Zeit, bevor die Rimmersmänner südwärts zogen, das ist alles, was ich weiß«, antwortete Sangfugol. »Aber den Stahl bekam er aus Rimmersgard, all diese Stangen. Die Dverninge haben sie geschmiedet«, fügte er bedeutungsvoll hinzu, aber Simon sagte der Name nichts.
»Aber wozu? Es sieht aus wie ein eiserner Garten.«
»Um die Sithi fernzuhalten«, erklärte Sangfugol. »Aeswides hatte schreckliche Angst vor ihnen, weil es eigentlich ihr Land war. Eine ihrer großen Städte, ich habe den Namen vergessen, lag drüben auf der anderen Seite des Gebirges.«
»Da’ai Chikiza«, sagte Simon ruhig und blickte weiter auf das Dickicht aus angelaufenem Metall.
»Richtig«, stimmte der Harfner zu. »Und die Sithi können angeblich kein Eisen ertragen. Macht sie ganz krank, tötet sie sogar. Darum umgab Aeswides seine Burg mit diesen ›Nägeln‹ aus Stahl. Früher waren sie auch überall auf der Talseite der Burg, aber als die Sithi verschwanden, standen die Nägel bloß im Weg – machten es schwierig, am Markttag die Wagen hereinzufahren und so weiter. Und als König Johan diese Burg Josua gab – vermutlich, um ihn und seinen Bruder so weit wie möglich auseinanderzuhalten –, ließ mein Gebieter sie alle wegnehmen, außer diese dort auf den Hängen. Ich glaube, sie erheitern ihn. Er hat viel übrig für alte Sachen, der Prinz, mein Herr.«
Sie leerten gemeinsam den Bierkrug, und Simon gab dem Harfenspieler eine gekürzte Fassung seiner Erlebnisse seit ihrer letzten Begegnung. Ein paar von den unerklärlicheren Dingen ließ er aus,weil er auf die Fragen, die der Harfner ihm zweifellos stellen würde, keine Antworten hatte.
Sangfugol war beeindruckt, aber am meisten bewegte ihn die Erzählung von Josuas Rettung und Morgenes’ Märtyrertum.
»Oh, dieser Schurke Elias«, sagte er endlich, und Simon bemerkte überrascht den Ausdruck ehrlichen Zornes, der das Gesicht des Harfners wie eine Gewitterwolke verdunkelte. »König Johan hätte dieses Ungeheuer bei der Geburt erwürgen sollen oder, wenn das schon nicht möglich war, ihn wenigstens als Generalfeldmarschall weiter die Männer der Thrithinge quälen lassen können – alles, nur ihn nicht auf den Drachenbeinthron setzen, auf dem er eine Plage für uns alle ist!«
»Aber dort sitzt er nun einmal«, meinte Simon kauend. »Glaubt Ihr, dass er uns hier in Naglimund angreifen wird?«
»Das wissen nur Gott und der Teufel«, grinste Sangfugol mürrisch, »und der Teufel lässt sich auf keine Wetten ein. Vielleicht weiß Elias noch nicht einmal, dass Josua sich hier befindet, aber das wird er sicher bald erfahren. Diese Festung hier ist stark, sehr stark. Wenigstens dafür haben wir dem längst verblichenen Aeswides zu danken. Aber dennoch, stark oder nicht, ich kann mir kaum vorstellen, dass Elias lange zusehen wird, wie sich Josua hier im Norden eine Hausmacht schafft.«
»Aber ich
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