Der Drachenbeinthron
noch einmal, »es kommt mir nicht richtig vor, dass er dich noch nichtempfangen hat. Macht es dir etwas aus, wenn ich ein Wort für dich einlege? Ich soll heute beim Abendessen für ihn spielen.«
»Sicher würde ich gern mit ihm sprechen, ja. Ich hatte große Angst um seine Sicherheit. Und mein Herr gab sehr viel dafür, dass der Prinz hierher, in seine Heimat, zurückkehren konnte.«
Simon war selbst erstaunt über den leichten Unterton von Bitterkeit in seiner Stimme. Er hatte sie nicht absichtlich so klingen lassen, aber immerhin hatte er einiges durchgemacht; zudem war er es gewesen und kein anderer, der Josua gefunden hatte, als er zusammengeschnürt dagehangen hatte wie ein Fasan über der Tür einer Kätnerhütte.
Der Unterton in seiner Bemerkung war auch Sangfugol nicht entgangen; er warf Simon einen aus Mitgefühl und Belustigung gemischten Blick zu.
»Ich verstehe. Allerdings würde ich empfehlen, es dem Prinzen nicht ganz in dieser Form vorzutragen. Er ist ein stolzer, schwieriger Mann, Simon, aber ich bin überzeugt, dass er dich nicht vergessen hat. Du weißt ja, dass unsere Lage hier in letzter Zeit ziemlich schlecht war, fast so unangenehm wie deine eigene Reise.«
Simon hob das Kinn und starrte auf die Berge, den seltsamen Schimmer der windzerzausten Bäume. »Ich weiß«, sagte er. »Wenn er mich empfangen kann, soll es mir eine Ehre sein. Wenn nicht … nun, dann hat es eben nicht sein sollen.«
Der Harfner grinste träge, und seine schelmischen Augenwinkel senkten sich.
»Eine stolze und anständige Rede. Nun komm, ich will dir die Nägel von Naglimund zeigen.«
Am hellen Tag war der Anblick wirklich erstaunlich. Das Feld glänzender Pfähle begann wenige Ellen vom Graben entfernt unterhalb der Ostmauer der Burg, zog sich schräg den Hang hinauf und erstreckte sich etwa eine Viertelmeile weit bis unmittelbar an den Fuß des Gebirges. Die Pfähle waren in symmetrischen Reihen aufgestellt, als läge dort eine Legion von Speerkämpfern begraben, von denen nur noch die Waffen aus dem dunklen Boden ragten – wie um zu zeigen, dass sie gewissenhaft Wache hielten. Die Straße, die sichvon einer in der westlichen Flanke des Berges klaffenden Höhle herunterschlängelte, wand sich zwischen den Reihen hin und her, voller Kurven wie der Weg einer Schlange, und endete schließlich vor dem schweren Osttor von Naglimund.
»Und das hat Wie-heißt-er-doch-gleich alles bauen lassen, nur weil er Angst vor den Sithi hatte?«, fragte Simon, verwirrt von der seltsamen, silbrigdunklen Saat, die da vor ihm spross.
»Warum hat er sie nicht einfach oben auf die Mauer gesetzt?«
»Herzog Aeswides war sein Name. Er war der hiesige Statthalter von Nabban und er verstieß gegen die alten Bräuche, als er seine Burg auf Sithiland stellte. Und warum nicht auf den Mauern? Nun, vermutlich fürchtete er, sie könnten einen Weg finden, doch irgendwie darüber hinwegzukommen oder vielleicht darunter durchzukriechen. So, wie er die Pfähle anordnete, hätten sie mitten hindurchgemusst. Du hast nicht einmal die Hälfte gesehen, Simon, früher schossen sie auf allen Seiten aus dem Boden wie Pilze!« Sangfugol breitete mit umfassender Gebärde die Arme aus.
»Und was taten die Sithi?«, erkundigte sich Simon. »Versuchten sie ihn anzugreifen?«
»Nicht, dass ich wüsste. Du solltest wirklich den alten Vater Strangyeard danach fragen. Er ist hier der Archivar und Historiker.«
Simon lächelte. »Ich kenne ihn.«
»Interessanter alter Schlurfer, wie? Er hat mir einmal erzählt, dass die Sithi diesem Ort hier, nachdem die Burg gebaut war, einen Namen gaben … nämlich … Verdammt, ich als Balladensänger sollte diese alten Geschichten doch im Kopf haben! Jedenfalls bedeutete der Name, den sie dafür hatten, so etwas wie ›Falle-die-den-Jägerfängt‹ … so als ob Aeswides sich damit selber eingemauert, sich in seiner eigenen Falle gefangen hätte.«
»Und war es so? Was wurde aus ihm?«
Sangfugol schüttelte den Kopf, wobei er fast wieder seine Mütze verloren hätte. »Lass mich hängen, wenn ich’s weiß. Wurde wahrscheinlich alt und starb hier. Ich glaube nicht, dass sich die Sithi besonders viele Gedanken um ihn gemacht haben.«Sie brauchten eine Stunde, um ihren Rundgang zu vollenden. Längst war der Bierkrug geleert, den Sangfugol mitgebracht hatte, um das Essen hinunterzuspülen; aber der Harfner hatte vorsorglich noch einen Weinschlauch beschafft und sie so vor einem allzu trockenen Spaziergang bewahrt.
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