Der Drachenbeinthron
lachten – Sangfugol brachte Simon gerade ein unanständiges Lied über eine Edelfrau aus Nabban bei –, als sie wieder an das Haupttor und die hinunterführende Wendeltreppe kamen. Beim Verlassen des Torhauses fanden sie sich inmitten einer wimmelnden Menge von Arbeitern und Soldaten wieder. Von den letzteren waren die meisten gerade nicht im Dienst, nach der Unordnung ihrer Kleider zu urteilen. Alles johlte und drängelte; schon bald wurde Simon zwischen einem dicken Mann und einem bärtigen Wachsoldaten eingekeilt.
»Was geht hier vor?«, rief er zu Sangfugol hinüber, der vom Sog der Menge ein kleines Stück von ihm weggeschwemmt worden war.
»Ich weiß es nicht genau«, rief der andere zurück. »Vielleicht ist Gwythinn von Hernystir angekommen.«
Der dicke Mann hob das rote Gesicht zu Simon auf. »Nee, is’ er nicht«, bemerkte er vergnügt. Sein Atem stank nach Bier und Zwiebeln. »Es is’ wegen dem Riesen da, den wo der Prinz erledigt hat.« Er zeigte auf den Scheiterhaufen, der immer noch nackt und kahl am Rande des Angers stand.
»Aber ich sehe keinen Riesen«, meinte Simon.
»Sie holen ihn grade«, erklärte der Mann. »Bin nur mit den andern hergekommen, damit ich ihn auch wirklich seh. Der Sohn von meiner Schwester war einer von den Treibern – hat mitgeholfen, die Teufelsbestie zu schnappen!«, fügte er voller Stolz hinzu.
Jetzt ging eine neue Welle durch die lärmende Menge. Irgendjemand ganz vorn konnte etwas sehen, das eilig an alle weniger günstig Stehenden weitergemeldet wurde. Hälse wurden gereckt und Kinder auf die Schultern geduldiger Mütter mit schmutzigen Gesichtern gehoben.
Simon blickte sich um. Sangfugol war verschwunden. Er stellte sich auf die Zehen und bemerkte, dass nur wenige in der Menge sogroß waren wie er. Ohne Schwierigkeiten konnte er hinter dem Scheiterhaufen die bunten Seidenstoffe eines Zeltes oder Sonnendaches und davor die leuchtenden Farben der Kleider einiger Höflinge aus der Burg erkennen, die auf Hockern saßen und sich miteinander unterhielten, wobei sie mit flatternden Armen gestikulierten wie glitzernde Vögel auf einem Ast.
Simon suchte die Gesichter ab, um vielleicht einen Blick auf Marya zu erhaschen – vielleicht hatte sie schon wieder eine Edeldame gefunden, die ihre Dienste in Anspruch nehmen wollte, denn es war bestimmt viel zu unsicher für sie, zur Prinzessin auf den Hochhorst – oder wo sie sonst sein mochte – zurückzugehen. Aber keines der Gesichter war das ihre, und bevor er an einer anderen Stelle der Menschenmenge nach ihr suchen konnte, erschien in einem der Torbögen der Innenmauer eine Reihe Bewaffneter.
Jetzt begann die Menge laut zu murmeln, denn dem ersten halben Dutzend Soldaten folgte ein Pferdegespann, das einen hochgebauten, hölzernen Karren zog. Simon wurde es flau im Magen, aber er verdrängte es. Sollte ihm denn jedes Mal übel werden, wenn ein Wagen an ihm vorüberknarrte?
Als die Räder knirschend zum Halten kamen und die Soldaten sich daranmachten, das bleiche Etwas abzuladen, das sich oben auf der Ladefläche des Karrens wölbte, fiel Simons Blick auf der anderen Seite, jenseits des aufgeschichteten Holzstoßes, dort, wo die Edelleute standen, auf krähenschwarzes Haar und weiße Haut. Aber als er genauer hinsah, voller Hoffnung, es könnte Marya sein, hatten die lachenden Höflinge ihre Reihen schon wieder geschlossen, und es war nichts mehr zu sehen.
Acht ächzende Wachsoldaten waren nötig, um den Balken zu heben, an dem der Leichnam des Riesen hing wie ein Hirsch aus dem Jagdrevier des Königs, und selbst dann mussten sie ihn vom Karren erst einmal zu Boden gleiten lassen, bevor sie die Schultern einigermaßen bequem unter den Balken brachten. Man hatte das Geschöpf an Knien und Ellenbogen festgebunden; als es mit dem Rücken auf den Boden stieß, schwankten die gewaltigen Hände durch die Luft. Die Menge, die sich begierig vorwärtsgedrängt hatte, wich unter Ausrufen der Furcht und des Abscheus zurück.
Das Wesen machte jetzt einen menschenähnlicheren Eindruck, dachte Simon, als im Wald der Steige , als es hoch vor ihm aufragte. Die Haut des dunklen Gesichtes war im Tode schlaff geworden, und ohne das drohende Knurren trug er die ratlose Miene eines Mannes, der gerade eine unerklärliche Nachricht erhalten hatte. Wie Strangyeard gesagt hatte, trug der Riese ein Gewand aus grobem Tuch um die Mitte. Ein Gürtel aus rötlichen Steinen schleifte im Staub des Angers.
Der dicke Mann neben Simon, der die
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