Der Drachenbeinthron
Josua.«
»Ich weiß«, antwortete Simon. Er musste unbedingt etwas sagen, das ihn mit diesem wohlgekleideten jungen Mann wieder auf eine Stufe stellte. »Ich half ihm zu entkommen.«
Der Harfner hob eine Braue. »Wahrhaftig? Das hört sich freilich nach einer interessanten Geschichte an. Hast du schon gegessen? Oder möchtest du einen Schluck Wein? Ich weiß, dass es noch recht früh ist, aber um die Wahrheit zu sagen, war ich noch gar nicht im Bett … zumindest nicht, um zu schlafen.«
»Essen wäre wunderbar«, sagte Simon, »aber ich muss vorher noch etwas erledigen. Könnt Ihr mir den Weg zu den Ställen zeigen?«
Sangfugol lächelte. »Und was dann, junger Held? Willst du nach Erchester hinabreiten und uns Pryrates’ Kopf in einem Sack bringen?« Simon errötete wieder, aber diesmal mit nicht geringem Vergnügen. »Also gut«, erklärte der Harfner, »erst die Ställe, dann das Essen.«
Der gekrümmte Mann mit der sauren Miene, der mit der Gabel Heu aufschichtete, machte einen misstrauischen Eindruck, als Simon sich nach Qantaqas Verbleib erkundigte.
»Was willst du denn mit dem?«, fragte der Mann und schüttelte den Kopf. »Richtig bösartiges Biest. Unrecht ist das, ihn hier hinzustecken. Überhaupt nicht mein Bier; nur weil der Prinz es gesagt hat. Hat mir fast die Hand abgerissen, die Bestie.«
»Na also«, versetzte Simon, »dann solltest du froh sein, sie loszuwerden. Bring mich zu ihr.«
»Ein Teufelsbraten ist das, sag ich dir«, erklärte der Mann. Siefolgten dem Voraushinkenden durch sämtliche dunklen Stallgebäude und zur Hintertür hinaus auf einen morastigen Hof im Schatten der Außenmauer.
»Die Kühe führen sie manchmal zum Schlachten hierher«, erläuterte der Mann und deutete auf eine viereckige Grube. »Weiß nicht, warum der Prinz den hier lebendig nach Hause hat schaffen lassen und der arme, alte Lucuman nun auf ihn aufpassen soll. Mit dem Speer hätte er ihn durchbohren sollen, den widerlichen Bastard, so wie den Riesen.«
Simon warf dem Krummen einen Blick voller Abscheu zu und trat an den Rand der Grube. Ein an der Kante im Boden verankertes Seil hing in das Loch hinunter. Unten war es um den Hals der Wölfin geknotet, die auf dem schlammigen Boden der Grube lag.
Simon war entsetzt. »Was hast du mit ihr gemacht !«, schrie er den Stallknecht an. Sangfugol, der den sumpfigen Hof etwas vorsichtiger betreten hatte, kam näher.
Das Misstrauen des alten Mannes verwandelte sich in Gereiztheit. »Hab gar nichts gemacht«, versetzte er gekränkt. »Richtiger Teufel ist das – hat geheult wie ein Untier. Nach mir gebissen hat er.«
»Das hätte ich auch getan«, fauchte Simon. »Und vielleicht mache ich es auch noch. Hol sie dort heraus.«
»Wie denn?«, fragte der Mann beunruhigt. »Einfach am Seil hochziehen? Dazu ist er viel zu groß.«
»Sie, du Dummkopf!« Simon war außer sich vor Wut, die Wölfin, seine Gefährtin über ungezählte Meilen, in einem dunklen, nassen Loch liegen zu sehen. Er beugte sich hinab.
»Qantaqa!«, rief er. » Ho, Qantaqa!« Sie zuckte mit den Ohren, als wollte sie eine Fliege verscheuchen, öffnete aber nicht die Augen. Simon sah sich im Hof um, bis er fand, was er brauchte: den Hackklotz, einen schartigen Baumstumpf, so dick wie der Brustkorb eines Mannes. Er rollte ihn mühsam zu der Grube, während Stallknecht und Harfner verwundert zuschauten.
»Pass auf!«, rief er der Wölfin zu und rollte den Stumpf über den Rand; er schlug nur einen Meter von den Hinterbeinen des Tiers entfernt in der weichen Erde auf. Sie hob kurz den Kopf und blickte hinüber, um dann wieder zusammenzusinken.
Wieder spähte Simon über den Grubenrand und versuchte Qantaqa anzulocken, aber sie achtete nicht auf ihn.
»Um Himmelswillen, sei vorsichtig«, mahnte Sangfugol.
»Glück hat er, dass sie sich grad ausruht, die Bestie«, meinte der andere und kaute bedächtig am Daumennagel. »Hätte das Biest vorher hören sollen, heulen und alles.«
Simon schwang die Füße über die Kante des Loches und rutschte hinab. Er landete im glitschigen Schlamm.
»Was tust du!«, rief Sangfugol. »Bist du verrückt?«
Simon kniete neben der Wölfin nieder und näherte sich ihr langsam mit seiner Hand. Sie knurrte, aber er hielt ihr die Finger hin. Ihre schlammige Nase schnüffelte kurz daran, dann streckte sie vorsichtig die lange Zunge aus und leckte ihm den Handrücken. Simon fing an, ihre Ohren zu kraulen und tastete sie dann nach Schnittwunden und Knochenbrüchen ab. Es
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