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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weißt du, aber ich glaube, er sieht mich nicht gern müßig.«
    Eine Weile gingen sie wortlos weiter.
    »Wie seid Ihr nach Naglimund gekommen?«, erkundigte Simon sich endlich.
    »Mit dem letzten Treck auf der Weldhelmstraße. Elias hat sie jetzt geschlossen, der Hund. Und eine schlimme Reise ist es gewesen – mussten uns nördlich von Flett gegen Räuber wehren. Es fällt alles in Scherben, Junge. Geht alles kaputt.«
    Die Wachen an der Tür der Königshalle musterten sie sorgfältig im flackernden Fackelschein und klopften dann an die Tür, damit von innen aufgeriegelt wurde. Simon und der Narr stapften durch den kalten, mit Steinplatten belegten Gang, bis sie an eine zweite, schwere Balkentür mit zwei weiteren Wächtern kamen.
    »Hier ist es, Junge«, erklärte Strupp. »Ich gehe schlafen, bin gestern Abend spät ins Bett gekommen. Es tut gut, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Besuch mich bald einmal und trink ein Krüglein mit mir und erzähl, was du so getrieben hast – ja?« Er drehte sich um und ging unsicher den Korridor hinunter. Die bunten Flicken seines Narrenkleides schimmerten matt, bis ihn die Schatten verschluckten.
    Simon trat zwischen die Wächter, die keine Miene verzogen, und klopfte an die Tür.
    »Wer ist da?«, fragte eine Knabenstimme.
    »Simon vom Hochhorst für den Prinzen.«
    Die Tür schwang lautlos nach innen, und ein ernsthaft blickendes, etwa zehnjähriges Kind in Pagentracht wurde sichtbar. Es trat zurSeite, und Simon schritt an ihm vorbei in einen durch Vorhänge abgetrennten Vorraum.
    »Komm weiter«, ertönte eine gedämpfte Stimme. Nach kurzer Suche fand er den hinter einem Vorhang versteckten Eingang.
    Es war ein karger Raum, kaum besser eingerichtet als Vater Strangyeards Kammer. Prinz Josua saß in Schlafrock und Nachtmütze am Tisch und hielt mit dem Ellenbogen eine Schriftrolle offen. Er sah nicht auf, als Simon eintrat, sondern wies mit der Hand auf einen Stuhl.
    »Bitte setz dich«, sagte er und unterbrach damit Simon mitten in einer tiefen Verbeugung. »Ich bin sofort fertig.«
    Als Simon auf dem harten, ungepolsterten Stuhl Platz nahm, bemerkte er im Hintergrund des Raumes eine Bewegung. Eine Hand zog dort den Vorhang beiseite, sodass ein Splitter Lampenlicht sichtbar wurde. Ein Gesicht erschien, dunkeläugig, von dichtem, schwarzem Haar umrahmt – die Frau, die er im Burghof gesehen hatte, als sie der Verbrennung zusah. Sie starrte gebannt auf den Prinzen, aber als sie aufschaute, trafen sich Simons und ihr Blick. Sie hatte die zornigen Augen einer in die Enge getriebenen Katze. Der Vorhang fiel wieder zurück.
    Beunruhigt überlegte Simon einen Moment, ob er Josua etwas sagen sollte. Eine Spionin? Eine Meuchelmörderin? Dann wurde ihm klar, warum sich die Frau im Schlafgemach des Prinzen aufhielt, und er kam sich äußerst töricht vor.
    Josua blickte zu dem errötenden Simon auf und ließ die Schriftrolle los, die sich sofort auf dem Tisch vor ihm zusammenrollte. »Nun denn, vergib mir. Ich bin gedankenlos gewesen. Ich hoffe, du verstehst, dass ich den, der mir zur Flucht aus der Gefangenschaft verholfen hat, gewiss nicht kränken wollte.«
    »Ihr … Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, Hoheit«, stotterte Simon.
    Josua spreizte mit schmerzverzogenem Gesicht die Finger der linken Hand. Simon erinnerte sich an Sangfugols Worte und fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man eine Hand verlor.
    »Bitte. In diesem Zimmer ›Josua‹ – ›Prinz Josua‹, wenn es unbedingt sein muss. Als ich bei den Usiresbrüdern in Nabban studierte,nannten sie mich ›Messdiener‹ oder ›Junge‹. Ich glaube nicht, dass ich es seitdem sehr viel weiter gebracht habe.«
    »Jawohl, Herr.«
    Josuas Augen huschten fort, wieder zu seinem Schreibtisch. In diesem Augenblick des Schweigens betrachtete ihn Simon genauer. Eigentlich sah er kaum mehr wie ein Prinz aus als damals, als Simon ihn mit seinen Ketten in Morgenes’ Wohnung gesehen hatte. In seinen Nachtgewändern, die hohe, blasse Stirn nachdenklich gerunzelt, erinnerte er eher an einen Kollegen von Vater Strangyeard denn an einen Prinz von Erkynland oder einen Sohn von Johan dem Priester.
    Josua stand auf und griff zu seiner Schriftrolle.
    »Die Aufzeichnungen des alten Dendinis.« Er klopfte sich damit auf das rechte Handgelenk, das in einer ledernen Hülle steckte. »Aeswides Festungsbaumeister. Wusstest du, dass Naglimund niemals bei einer Belagerung eingenommen wurde? Als Fingil von Rimmersgard vom Norden herunterzog,

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