Der Drachenbeinthron
»Prinzessin, wollte ich sagen.«
Miriamel, die ebenfalls gelächelt hatte, machte wieder ein Gesicht, als fühle sie sich nicht wohl in ihrer Haut. In Simon wallte etwas von dem Zorn auf, der die ganze Nacht an ihm genagt hatte. Wer war sie denn, dass sie sich in seiner Gesellschaft so unbehaglich fühlte? Hatte er sie nicht von einem Baum heruntergeholt? Hatte sie nicht den Kopf an seine Schulter gelegt?
Ja, und genau das ist ein großer Teil des Problems, dachte er.
»Ich muss jetzt gehen.« Er zupfte an seiner Schwertscheide, als wollte er Miriamel ein paar Einzelheiten der Prägung zeigen. »Ich habe den ganzen Tag mit dem Schwert gekämpft. Gewiss erwarten Euch Eure Freundinnen.« Er wollte sich umdrehen, hielt dann inne und beugte das Knie vor ihr. Der Ausdruck ihres Gesichtes wurde eher noch unglücklicher und trauriger als zuvor.
»Prinzessin«, sagte er und ging. Er drehte sich nicht um, Kopf und Rücken hielt er kerzengrade.Auf dem Rückweg zu seiner Kammer begegnete er Binabik, der anscheinend seine Festtagskleidung trug, eine Jacke aus weißem Hirschleder und eine Halskette aus Vogelschädeln. Simon begrüßte ihn kühl; insgeheim war er überrascht festzustellen, dass dort, wo noch vor Stunden Zorn gewesen war, nur noch eine seltsame Leere in seinem Geist klaffte.
Der Troll wartete, bis er sich an der Türschwelle weiteren Schlamm von den Stiefeln gekratzt hatte, und folgte ihm dann nach innen. Simon zog das andere Hemd an, das Strangyeard ihm freundlicherweise überlassen hatte.
»Ich bin sicher, dass du jetzt erzürnt bist, Simon«, begann Binabik. »Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich nichts über die Prinzessin wusste, bis Josua es mir vorgestern Abend erzählte.«
Das Hemd des Priesters war selbst für Simons schlaksige Gestalt lang; er stopfte es in die Hosen. »Warum hast du es mir dann nicht gesagt?«, fragte er und freute sich über das leichte, beiläufige Gefühl, das er dabei hatte. Es gab keinen Grund für ihn, sich über die Treulosigkeit des kleinen Mannes Gedanken zu machen; er war früher auch auf sich selbst gestellt gewesen.
»Es war, weil ein Versprechen gegeben wurde.« Binabik sah sehr unglücklich aus. »Ich willigte ein, bevor ich wusste, worum es ging. Aber es war nur ein Tag, an dem du es nicht ahntest und ich Bescheid wusste – hätte es einen großen Unterschied gemacht? Sie hätte es dir und mir selbst sagen sollen, finde ich.«
Es lag Wahrheit in den Worten des Trolls, aber Simon hatte keine Lust, Kritik an Miriamel zu hören, obwohl er ihr selber weit größere, wenn auch feiner gesponnene Verbrechen vorwarf.
»Es ist jetzt nicht mehr wichtig«, war alles, was er erwiderte.
Binabik versuchte sich an einem Lächeln. »Ich hoffe, dass es wirklich so ist. Jetzt ist freilich das Wichtigste der Raed. Du musst deine Geschichte dort erzählen, und ich denke, es sollte heute Abend sein. Durch deinen vorzeitigen Aufbruch hast du nicht viel verpasst, das meiste betraf Baron Devasalles, der von Josua Zusicherungen für den Fall wollte, dass die Nabbanai sich ihm anschlössen. Aber heute Abend …«
»Ich habe keine Lust.« Simon krempelte die Ärmel auf, die ihmhalb über die Hände hingen. »Ich werde Strupp besuchen, oder vielleicht Sangfugol.« Er kämpfte mit einer Manschette. »Wird die Prinzessin auch dort sein?«
Der Troll sah betroffen aus. »Wer kann das sagen? Aber du wirst gebraucht, Simon. Der Herzog und seine Rimmersmänner sind hier. Vor weniger als einer Stunde sind sie eingetroffen, fluchend und schmutzig auf schäumenden Pferden. Heute Abend müssen wichtige Dinge erörtert werden.«
Simon starrte zu Boden. Es wäre einfacher, lediglich den Harfner zu besuchen und mit ihm zu trinken; das half, nicht an solche Probleme zu denken. Sicher würden auch ein paar seiner neuen Bekannten unter den Wachsoldaten da sein, mit denen man gewiss einen schönen Abend verbringen könnte. Sie würden vielleicht zusammen hinunter in die Stadt Naglimund gehen, die er noch gar nicht richtig gesehen hatte. Es wäre so viel leichter, als in diesem großen Raum zu sitzen, diesem gewichtigen Raum, in dem Entscheidungen und Gefahr so schwer auf allen lasteten. Sollten doch die anderen debattieren und sich den Kopf zerbrechen – er war schließlich nur ein Küchenjunge und hatte schon viel zu lange den Boden unter seinen Füßen verloren. War es nicht besser so? War es das wirklich?
»Ich komme«, erklärte er endlich, »aber nur, wenn ich selbst entscheiden kann, ob
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