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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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er wusste, was er tat, hatte er begonnen, auf die zurückweichende Dreiergruppe zuzugehen; gleich darauf verschwanden sie in einem Säulengang, und er begann zu laufen. Das Geräusch ihrer Unterhaltung klang zu ihm herüber, wie ein aufreizender Geruch in die Nase eines angeketteten Kampfhundes dringt. In dreißig langen Schritten hatte er sie eingeholt.
    »Miriamel!«, sagte er, und es kam sehr laut aus seinem Mund und ließ ihn überrascht und verlegen stehen bleiben. »Prinzessin?«, fügte er lahm hinzu, als sie sich umdrehte. Wiedererkennen stand in ihrem Gesicht und wurde von einem anderen Gefühl, das rasch auf das erste folgte, verdrängt, einem Gefühl, das ihm zu seinem Schrecken wie Mitleid vorkam.
    »Simon?«, fragte sie, aber es stand kein Zweifel in ihren Augen. Sie standen einander gegenüber, als liege zwischen ihnen eine tiefe Schlucht, dabei waren sie keine drei oder vier Ellen voneinander entfernt. Einen Augenblick lang starrten sie einander schweigend an,und jeder wartete auf die Stimme des anderen, um die trennende Entfernung mit der richtigen Antwort zu überbrücken.
    Endlich machte Miriamel eine knappe und leise Bemerkung zu ihren zwei Begleiterinnen, denen die Missbilligung unzweifelhaft ins Gesicht geschrieben stand; die beiden zogen sich rückwärts zurück, wandten sich dann um und gingen ein kurzes Stück vor ihnen her.
    »Ich … es kommt mir seltsam vor, Euch nicht Marya zu nennen … Prinzessin.« Simon blickte auf seine mit Schlamm bespritzten Stiefelschäfte und grasfleckigen Hosen hinunter und empfand statt der Beschämung, mit der er eigentlich gerechnet hatte, eine Art seltsamen, grimmigen Stolz. Vielleicht war er ein Bauerntölpel, aber wenn, dann wenigstens ein ehrlicher.
    Die Prinzessin musterte ihn kurz, wobei sie sich das Gesicht bis zum Schluss aufsparte. »Es tut mir leid, Simon. Ich habe dich nicht belogen, weil ich das wollte, sondern weil ich es tun musste.« Sie löste die verkrampften Finger zu einer kurzen Gebärde der Hilflosigkeit. »Es tut mir leid.«
    »Es … braucht Euch nicht leid zu tun. Es ist nur … nur …«, er suchte nach Worten und umklammerte dabei seinerseits fest seine Schwertscheide, »es macht nur alles so schwierig, nehme ich an.«
    Jetzt war er es, der sie musterte. Er entschied, dass das schöne Kleid – das, wie er bemerkte, grüne Streifen hatte, vielleicht aus trotziger Treue zu ihrem Vater – der Marya, an die er sich erinnerte, sowohl etwas hinzufügte als auch etwas wegnahm. Sie sah gut aus, das musste er zugeben: Die feinen, scharfen Züge hatten jetzt, wie ein wertvoller Stein, eine Fassung, die sie betonte. Gleichzeitig jedoch fehlte etwas, etwas Lustiges und Derbes und Sorgloses, das jene Marya besessen hatte, die bei der Flussfahrt und in der schrecklichen Nacht auf der Steige seine Gefährtin gewesen war. In ihrem beherrschten Gesicht erinnerte ihn nicht mehr viel daran, aber eine Andeutung versteckte sich noch in den kurzgeschnittenen Haarsträhnen, die am Hals unter ihrer Kapuze hervorlugten.
    »Hattet Ihr Euch das Haar schwarz gefärbt?«, fragte er endlich.
    Sie lächelte schüchtern. »Ja. Ich hatte schon lange, bevor ich vom Hochhorst fortlief, überlegt, was ich tun müsste. Ich schnitt mir dasHaar ab – es war sehr lang«, fügte sie stolz hinzu, »und ließ mir dann von einer Frau in Erchester eine Perücke daraus machen. Leleth brachte sie mir. Ich versteckte mein abgeschnittenes Haar darunter, das schwarz gefärbt war, damit ich unerkannt die Männer in der Umgebung meines Vaters beobachten und Dinge hören konnte, von denen ich sonst nie etwas erfahren hätte … so fand ich heraus, was vorging.«
    Simon fühlte sich zwar recht unbehaglich, war aber voller Bewunderung über die Schlauheit des Mädchens. »Aber warum habt Ihr mir nachspioniert? Ich war doch ganz unwichtig.«
    Die Prinzessin hörte nicht auf, ihre Finger zu verschränken und wieder zu lösen. »Ich habe dir wirklich nicht nachspioniert, zumindest nicht beim ersten Mal. Ich lauschte einem Streit, den mein Vater mit meinem Onkel in der Kapelle hatte. Die anderen Male … nun ja, da bin ich dir gefolgt. Ich hatte dich im Schloss gesehen, allein, mit niemandem, der dir sagte, was du tun und wo du sein und wen du anlächeln und mit wem du reden solltest … Ich war neidisch.«
    »Niemand, der mir sagte, was ich tun sollte?« Simon musste gegen seinen Willen grinsen. »Dann hast du Rachel den Drachen wohl nie kennengelernt, Ma …« Er korrigierte sich:

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