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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Mutter den feuchten Bergweg hinaufstiegen, deuteten auf den langbeinigen Simon, als er an ihnen vorbeilief, und lachten über den Ausdruck auf seinem blassen Gesicht.
    Die Mittelgasse war auf ganzer Länge mit zusammengenähten Tierhäuten überdacht, die oberhalb der breiten Durchfahrt von einem Gebäude zum andern reichten. An jeder Wegkreuzung hatte man große, steinerne Feuerstellen errichtet, deren Rauch größtenteils, wenn auch gewiss nicht ganz und gar, durch Löcher im Zeltdach nach oben abzog. Schnee, der durch diese Öffnungen fiel, zischte und dampfte in der heißen Luft. Leute aus Erchester und vom Hochhorst wärmten sich an den Flammen oder schlenderten schwatzend umher, wobei sie verstohlen die auf allen Seiten zur Schau gestellten Waren musterten. Unter sie mischten sich Bewohner entfernterer Lehen, und alles drängte auf die breite Mittelgasse, die sich über zwei volle Meilen erstreckte, vom Nerulagh-Tor bis zum Platz der Schlachten am anderen Ende der Stadt. Im Strom dieser Menschenansammlung schöpfte Simon neuen Mut. Was kümmerte ihn ein betrunkener Priester? Schließlich war Markttag!
    Heute war das Heer von Marktleuten, fliegenden Händlern mit schrillen Stimmen, gaffenden Provinzlern, Spielern, Taschendieben und Musikanten noch sehr viel größer als sonst, vermehrt durch die Soldaten der verschiedenen Abordnungen an den Hof des sterbenden Königs. Rimmersmann, Hernystiri, Warinstenner oder Perdruinese – ihr Stolzieren und die bunten Trachten reizten Simons Elsterngeschmack am Bunten, Glitzernden. Er folgte einer Gruppe in Blau und Gold gekleideter Nabbanai-Legionäre, bewunderte ihr prahlerisches Auftreten und die zur Schau getragene Überlegenheit und verstand ohne Sprachkenntnisse die lässige Art, in der sie sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf warfen. Gerade wollte er sich ihnen nähern, weil er hoffte, die kurzen Dolchschwerter, die sie in einer Scheide hoch am Gürtel trugen, etwas genauer betrachten zu können, als einer von ihnen, ein helläugiger Mann mit dünnem, schwarzem Schnurrbart, sich umdrehte und ihn bemerkte.
    »Heja, Brüder!«, sagte er mit einem Grinsen und packte einen anderen am Arm. »Schaut doch! Ein junger Taschendieb, wette ich, der ein Auge auf deinen Geldbeutel hat, Turis!«
    Beide Männer machten kehrt und bauten sich vor Simon auf. Der Stämmige, Bärtige namens Turis warf dem Jungen einen grimmigen Blick zu und knurrte: »Wenn mich berührt, dann ich würde töten.«
    Er beherrschte die Westerling-Sprache nicht so gut wie der andere; auch schien ihm dessen Humor abzugehen.
    Inzwischen waren drei andere Legionäre hinzugekommen; langsam begannen sie Simon einzukreisen, bis er sich vorkam wie ein in die Enge getriebener Fuchs.
    »Was gibt es hier, Gelles?«, fragte einer der Neuankömmlinge Turis’ Begleiter. » Hué fauge ? Hat er gestohlen?«
    »Nai, nai … «, lachte Gelles, »ich habe nur Turis ein wenig geneckt. Der dünne Bengel hat nichts angestellt.«
    »Ich habe meinen eigenen Geldbeutel!«, sagte Simon empört. Er knüpfte ihn vom Gürtel und schwang ihn vor den feixenden Gesichtern den Soldaten. »Ich bin kein Dieb! Ich gehöre zum Haushalt des Königs! Eures Königs!« Die Männer lachten.
    »Heja, hört ihn euch an!«, rief Gelles. »Unser König, sagt er kühn!«
    Simon wunde langsam klar, dass der junge Legionär betrunken war. Ein Teil seiner Bewunderung – aber bei weitem nicht die ganze – verwandelte sich in Abscheu.
    »Heja, Burschen!« Gelles wackelte mit den Augenbrauen. »›Mulveiz-nei cenit drenisend‹ heißt es – also hüten wir uns vor diesem Welpen und lassen ihn schlafen!« Ein neuer Heiterkeitsausbruch folgte. Simon, feuerrot im Gesicht, zurrte seinen Geldbeutel wieder fest und wollte sich entfernen.
    »Auf Wiedersehen, Burgmaus!«, rief ihm einer der Soldaten spöttisch nach. Simon schaute sich nicht um und erwiderte auch nichts, sondern eilte rasch davon.
    Schon hatte er einen der Steinöfen passiert und die überdachte Mittelgasse verlassen, als er eine Hand auf der Schulter fühlte. Er fuhr herum, weil er dachte, die Nabbanai-Legionäre seien ihm gefolgt, um ihn noch weiter zu kränken, aber vor ihm stand ein rundlicher Mann mit wettergegerbtem, rosigem Gesicht. Der Fremde trug das graue Gewand und die Tonsur eines Bettelmönches.
    »Vergebung, mein junger Freund«, sagte er im schnalzendschnarrenden Tonfall der Männer von Hernystir, »ich wollte mich nur vergewissern, dass du wohlbehalten bist und diese goirach

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