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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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dieser letzten, schicksalhaften Stunde nahm Ineluki seine RoteHand und stieg mit ihnen auf die Spitze des höchsten Turmes von Asu’a . Offensichtlich hatte er beschlossen, dass dort, wo kein Raum mehr für die Sithi war, auch die Menschen niemals eine Heimat finden sollten.
    An diesem Tag sprach er noch grausigere Worte als je zuvor, um ein Vielfaches böser selbst als jene, mit deren Hilfe er die Stoffe gebunden hatte, aus denen das Schwert Leid bestand. Als seine Stimme über die Feuersbrunst hallte, stürzten Rimmersmänner auf dem Hof schreiend zu Boden. Ihre Gesichter waren verkohlt; Blut rann ihnen aus Augen und Ohren. Das Singen steigerte sich zu ohrenzerreißender Höhe und wurde zu einem entsetzlichen Aufschrei der Todesqual. Ein gewaltiger Blitzschlag färbte den Himmel weiß, sofort gefolgt von einer Finsternis, die so tief war, dass selbst Fingil in seinem eine Meile entfernten Zelt mit jäher Blindheit geschlagen zu sein glaubte.
    Und doch hatte Ineluki nicht erreicht, was er wollte. Asu’a stand noch und brannte weiter, auch wenn jetzt ein großer Teil von Fingils Heer klagend und sterbend am Fuße des Turmes lag. Oben in der Spitze, seltsam unberührt von Rauch oder Flammen, wurden sechs Häufchen grauer Asche vom Wind davongetragen.«
    Leid … In Simons Kopf drehte sich alles, und das Atmen fiel ihm schwer. Das Licht der Fackeln schien wild zu flackern. Der Berghang. Ich hörte die Wagenräder … sie brachten Leid! Ich erinnere mich … es war wie der Teufel in einer Kiste … das Herz allen Leids.
    »So starb Ineluki. Einer von Fingils Unterführern, der Minuten später seinen letzten Atemzug tat, schwor, er habe eine ungeheure Gestalt aus dem Turm aufsteigen sehen, glühend rot wie Kohlen im Feuer; sie kräuselte sich wie Rauch und griff nach dem Himmel wie eine riesige rote Hand …«
    »NEIN!«, schrie Simon und sprang auf. Eine Hand griff nach ihm und wollte ihn festhalten, dann noch eine, aber er schüttelte sie ab wie Spinnweben. »Sie brachten das graue Schwert, das grausige Schwert! Und dann sah ich ihn! Ich sah Ineluki! Er war … er war …«
    Der Raum selber tanzte, als sähe er ihn durch einen sichwölbenden Spiegel; Gesichter mit aufgerissenen Augen – Isgrimnur, Binabik, der alte Jarnauga – sprangen auf ihn zu wie hüpfende Fische im Teich. Er wollte weiterreden, ihnen vom Berghang und den weißen Dämonen erzählen, aber ein schwarzer Vorhang fiel und etwas dröhnte in seinen Ohren …
    Simon hastete durch einen dunklen Ort, nur eine Stimme folgte ihm durch den ansonsten leeren Raum.
    Mondkalb! Komm zu uns! Hier wartet ein Platz auf dich! Ein Knabe! Ein Kind der Sterblichen! Was hat es gesehen, was hat es gesehen?
    Lasst seine Augen gefrieren und tragt ihn hinunter in den Schatten. Bedeckt ihn mit Frost.
    Eine Gestalt ragte vor ihm auf; ein Schatten, gewaltig wie ein Berg, auf dem Kopf ein Geweih. Er trug eine Krone aus blassen Edelsteinen, und seine Augen waren wie rotes Feuer. Rot war auch seine Hand, und als sie Simon packte und hochhob, brannten die Finger wie glühendes Eisen. Weiße Gesichter umtanzten ihn und schwankten in der Finsternis wie Kerzenflammen.
    Das Rad dreht sich, Sterblicher, dreht sich weiter und weiter … Wer bist du, es anzuhalten?
    Eine Fliege ist er, eine kleine Fliege …
    Die Scharlachfinger zerquetschten ihn, und die feurigen Augen glühten dunkel und unfassbar böse. Simon schrie und schrie, aber nur unbarmherziges Gelächter antwortete ihm.
    Er erwachte aus dem seltsamen Wirbel singender Stimmen und nach ihm greifender Hände und fand das Bild seines Traumes im Kreis der über ihn gebeugten Gesichter gespiegelt, die im Fackelschein bleich wie ein Feenring aus Pilzen schimmerten. Hinter den verschwommenen Gesichtern schien die Wand mit Punkten aus gleißendem Licht gesäumt.
    »Er wacht auf«, sagte eine Stimme, und auf einmal waren die glitzernden Punkte klar zu erkennen: Reihen von Töpfen, die an ihren Gestellen hingen. Er lag auf dem Boden einer Küche.
    »Sieht nicht gut aus«, meinte eine tiefe Stimme unruhig. »Ich hole ihm lieber noch etwas Wasser.«
    »Ich bin sicher, er fühlt sich bald wieder ausgezeichnet, falls Ihr wieder hineingehen möchtet«, antwortete die erste Stimme, und Simon blinzelte, bis das Gesicht, das zu der Stimme gehörte, nicht länger ein trüber Fleck war. Es war Marya – nein, es war Miriamel, die neben ihm kniete; er konnte nicht umhin zu bemerken, dass der Saum ihres Kleides zerknittert unter ihr auf dem

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