Der Drachenbeinthron
uns noch einmal zu sehen.«
»Binabik!«
Der Druck wurde stärker. Simon fühlte sich wie ein kleines Kind zwischen älteren Leuten, die es hin und her stießen.
»Die Wahrheit ist es nur.« Das runde Gesicht des Trolls war jetzt ganz ernst. Er hob die Hand, um weiteren Einwendungen und Fragen zuvorzukommen. »Du musst dich nun entschließen, mein guter Freund. Ich gehe in das Schnee- und Eisland, mit einem Vorhaben, das vielleicht nur Torheit ist und das Leben der Toren fordern kann, die es ausführen. Die Zurückbleibenden werden dem Zorn eines königlichen Heeres gegenüberstehen. Ein übles Wählen, fürchte ich.« Binabik nickte feierlich mit dem Kopf. »Aber, Simon, was immer du auch beschließt, ob du mit nach dem Norden gehst oder hierbleibst, um für Naglimund – und die Prinzessin – zu kämpfen, wir beide bleiben die besten Kameraden.«
Er stellte sich auf die Zehen, um Simon einen Klaps auf den Oberarm zu geben, drehte sich dann um und ging über den Hof, hinüber zu den Archiven.
Simon fand sie allein. Sie stand da und warf Kiesel in den Schlossbrunnen. Gegen die Kälte trug sie einen schweren Reisemantel mit Kapuze.
»Seid gegrüßt, Prinzessin«, sagte er. Sie blickte mit traurigemLächeln auf. Aus irgendeinem Grund wirkte sie heute viel älter, fast wie eine erwachsene Frau.
»Willkommen, Simon.« Ihr Atem legte sich wie ein Nebelschleier um ihren Kopf.
Er wollte zum Gruß das Knie beugen, aber sie sah ihn gar nicht mehr an. Wieder klapperte ein Stein in den Brunnen. Er überlegte, ob er sich hinsetzen sollte, was ihm eigentlich natürlich vorkam; aber der einzige Platz dazu war der Brunnenrand, auf dem er entweder unbehaglich nahe bei der Prinzessin sein oder von ihr weg in die andere Richtung schauen musste. Simon entschied sich daher fürs Stehenbleiben.
»Und wie ist es Euch ergangen?«, erkundigte er sich. Sie seufzte.
»Mein Onkel behandelt mich, als sei ich aus Eierschalen und Spinnweben – als würde ich zerbrechen, wenn ich etwas in die Hand nähme oder jemand mich versehentlich anrempelte.«
»Bestimmt … bestimmt macht er sich nur Sorgen um Eure Sicherheit, nach der gefährlichen Reise, die Ihr gemacht habt, um hierherzukommen.«
»Der gefährlichen Reise, die wir gemacht haben – aber niemand läuft ständig hinter dir her, um sicherzugehen, dass du dir nicht das Knie aufschürfst. Dir bringen sie sogar bei, wie man mit dem Schwert kämpft.«
»Mar …, Prinzessin!« Simon war einigermaßen schockiert. »Ihr wollt doch wohl nicht mit Schwertern kämpfen?«
Sie sah zu ihm auf, und ihre Blicke trafen sich. In ihren Augen loderte für einen kurzen Augenblick eine unerklärliche Sehnsucht auf; gleich darauf senkte sie müde ihren Kopf.
»Nein«, antwortete sie. »Vermutlich nicht. Aber ach, ich möchte so gern irgendetwas tun!«
Überrascht hörte er den echten Schmerz in ihrer Stimme, und ihm fiel wieder ein, wie sie bei der Flucht über die Steige gewesen war, klaglos und stark, eine Gefährtin, wie man sie sich besser nicht wünschen konnte.
»Was … würdet Ihr gern tun?«
Sie blickte von neuem auf, erfreut darüber, dass er so ernsthaft fragte.
»Nun ja«, begann sie, »es ist kein Geheimnis, dass Josua Schwierigkeiten hat, Devasalles davon zu überzeugen, dass sein Herr, Herzog Leobardis, uns gegen meinen Vater unterstützen sollte. Josua könnte mich nach Nabban schicken!«
» Euch … nach Nabban schicken?«
»Natürlich, du Dummkopf.« Sie runzelte die Stirn. »Ich entstamme mütterlicherseits dem Haus Ingadarin, einer sehr edlen Nabbanai-Familie. Meine Tante ist mit Leobardis verheiratet. Wer wäre besser geeignet, den Herzog zu überzeugen?« Um ihre Worte zu unterstreichen, klatschte sie in die behandschuhten Hände.
»Oh …« Simon wusste nicht, was er sagen sollte. »Vielleicht findet Josua, dass es … dass es … ich weiß nicht.« Er dachte nach. »Ich meine, sollte ausgerechnet die Tochter des Hochkönigs diejenige sein, die … Bündnisse gegen ihn abschließt?«
»Und wer kennt das Herz des Hochkönigs besser?«
Jetzt war sie zornig.
»Und was …« Er zögerte, aber die Neugier trug den Sieg davon. »… was empfindet Ihr für Euren Vater?«
»Ob ich ihn hasse, meinst du?« Ihr Ton war bitter. »Ich hasse das, was aus ihm geworden ist. Ich hasse das, wozu die Männer, die ihn umgeben, ihn gemacht haben. Wenn er wieder in seinem Herzen Güte finden und seine Irrtümer einsehen würde … dann würde ich ihn auch wieder lieben.«
Eine ganze
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