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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wirklich, wovon er redet.« Deornoth schüttelte den Kopf. »Steht das verdammte Ding noch da?«
    »Das Zelt? Ja. Gerade außer Bogenschussweite vor den Mauern und genauso weit von Elias’ Feldlager entfernt.«
    Deornoth ging langsam und ließ den jungen Rimmersmann den Schritt vorgeben, den sein verwundetes Bein verlangte. »Gott sei uns gnädig, Isorn, aber ich habe ihn noch nie so erlebt, und ich diene ihm, seit ich alt genug bin, ein Schwert zu ziehen. Es ist, als wolle er unbedingt beweisen, dass Gwythinn recht hatte, als er ihm vorwarf, nicht auf guten Rat hören zu wollen.« Deornoth seufzte. »Nun gut – wenn wir ihn nicht zurückhalten können, müssen wir wenigstens unser Bestes tun, ihn zu schützen. Sprach der Herold des Königs wirklich von nur zwei Leibwächtern?«
    »Und dasselbe für Elias.«
    Deornoth nickte und dachte nach. »Wenn ich meinen Arm«, er deutete auf die Schlinge aus weißem Leinen, »übermorgen wieder bewegen kann, wird mich keine Macht der Welt davon abhalten, einer dieser beiden Wächter zu sein.«
    »Und ich bin der andere«, erklärte Isorn.
    »Ich würde es besser finden, wenn du mit ungefähr zwanzig Reitern hinter der Mauer bereitstehen würdest. Lass uns mit Herrn Eadgram sprechen, dem Obersten der Wachen. Wenn es einen Hinterhalt gibt – und sei es nur ein Sperling, der aus dem königlichen Feldlager nach dem Zelt fliegt –, kannst du in wenigen Herzschlägen bei uns sein.«
    Isorn nickte. »Das ist anzunehmen. Vielleicht können wir auch noch einmal mit dem weisen Jarnauga sprechen und ihn um einen Schutzzauber für Josua bitten.«
    »Was er braucht – und ich sage es wirklich nur ungern –, ist ein Zauber, der ihn vor seiner eigenen Voreiligkeit schützt.« Deornoth machte einen Schritt über eine große Pfütze. »Außerdem hilft kein Zauber gegen einen Dolch im Rücken.«

    Lluths Lippen bewegten sich ohne Unterlass und stumm, als gebe er eine endlose Folge von Erklärungen ab. Seit dem Vortag war sein Murmeln lautlos geworden; Maegwin verfluchte sich, weil sie sich seine letzten Worte nicht gemerkt hatte. Aber sie war überzeugt gewesen, dass er, wie schon viele Male vorher seit seinerVerwundung, die Stimme wiedererlangen würde. Dieses Mal jedoch, das konnte sie fühlen, würde es anders sein.
    Die Augen des Königs waren geschlossen, aber der Ausdruck seines wachsbleichen Gesichtes wechselte unaufhörlich zwischen Angst und Sorge. Maegwin berührte die brennende Stirn, spürte die sich im unvollständigen Sprechrhythmus schwach bewegenden Muskeln und hatte wieder das Gefühl, sie müsse weinen, als überschwemmten sie die unvergossenen Tränen, bis sie sich am Ende gewaltsam einen Weg durch die Haut ins Freie bahnten. Aber sie hatte seit der Nacht, in der ihr Vater sein Heer zum Inniscrich geführt hatte, nicht mehr geweint – nicht einmal, als sie ihn auf einer Bahre zurückbrachten, fast von Sinnen vor Schmerz, die meterlangen Stoffbinden um seinen Leib triefend von Blut. Wenn sie damals nicht geweint hatte, brauchte sie es nie mehr zu tun. Tränen waren für Kinder und Schwachköpfe.
    Eine Hand berührte ihre Schulter. »Maegwin. Prinzessin.« Es war Eolair, das kluge Gesicht so ordentlich in Kummerfalten gelegt wie ein Sommerkleid, das man für den Winter zusammenfaltet. »Ich muss mit Euch sprechen – draußen.«
    »Bitte geht, Graf«, antwortete sie und sah auf das einfache Bett aus Holzbalken und Stroh. »Mein Vater liegt im Sterben.«
    »Ich teile Euren Kummer, Herrin.« Seine Berührung wurde schwerer. »Glaubt mir, es ist so. Aber die Lebenden müssen leben, das wissen die Götter, und Euer Volk braucht Euch jetzt.« Als empfände er seine Worte als zu kalt und zu stolz, drückte er noch einmal kurz ihren Arm und ließ sie dann los.
    »Bitte. Lluth-ubh-Llythinn würde es nicht anders wollen.«
    Maegwin schluckte eine bittere Bemerkung hinunter. Natürlich hatte er recht. Sie stand mit vom steinernen Höhlenboden schmerzenden Knien auf und folgte ihm, vorbei an ihrer jungen Stiefmutter Inahwen, die still am Fuße des Lagers saß und auf die flackernden Wandfackeln starrte.
    Schaut uns doch an, dachte Maegwin verwundert. Tausend Jahre haben die Hernystiri gebraucht, um aus ihren Höhlen hinaus ans Sonnenlicht zu kriechen. Sie duckte sich, um unter der flachen Höhlendecke durchzugehen, und kniff vor dem rußigen Fackelrauch die Augenzusammen. Und nun hat es nicht einmal einen Monat gebraucht, um uns wieder hineinzutreiben. Wir sind dabei, zu Tieren zu

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