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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zusammentrugen, trat Simon zögernd zu An’nai.
    »Darf ich dich ein paar Dinge fragen?«, erkundigte er sich. Der Sitha hob den gleichmütigen Blick. »Frage.«
    »Warum war Prinz Jirikis Onkel so zornig, als er sagte, er wolle mit uns kommen? Und warum hat er euch drei mitgenommen?«
    An’nai führte die spinnenfingrige Hand zum Mund, als wollte er ein Lächeln verbergen, das nicht da war. Sofort ließ er sie wieder sinken und zeigte die gleiche ausdruckslose Miene wie zuvor.
    »Was zwischen dem Prinzen und S’hue Khendraja’aro vorgeht, ist nicht meine Angelegenheit, sodass ich es dir auch nicht mitteilen kann.« Er nickte ernsthaft. »Was das andere betrifft, kann er es selber vielleicht am besten beantworten … nicht, Jiriki?«
    Simon blickte erschreckt auf und sah den Prinzen hinter sich stehen, die dünnen Lippen zu einem Lächeln gestrafft.
    »Warum ich die anderen mitgenommen habe?«, fragte Jiriki und machte eine umfassende Handbewegung zu An’nai und den anderen beiden Sithi, die gerade von einem Erkundungsgang durch den dichten Wald rings um den Lagerplatz zurückkamen. »Ki’ushapo und Sijandi nahm ich mit, weil sich jemand um die Pferde kümmern muss.«
    »Um die Pferde kümmern?«
    Jiriki hob die Brauen und schnalzte mit den Fingern. »Troll!«, riefer über die Schulter, »wenn dieses Menschenkind dein Schüler ist, bist du wirklich ein schlechter Lehrer! Ja, Seoman, die Pferde – oder dachtest du, sie würden mit dir die Berge hinaufklettern?«
    Simon war verdutzt. »Aber … klettern? Die Pferde? Ich habe nicht daran gedacht … ich meine, könnten wir sie nicht einfach laufen lassen? Freilassen?« Er fand es ungerecht; auf der ganzen Reise war er sich immer nur als Anhängsel vorgekommen – bis auf den Weißen Pfeil natürlich –, und jetzt sollte ausgerechnet er wissen, was mit den Pferden zu geschehen hätte!
    »Sie freilassen?« Jirikis Stimme klang barsch, fast zornig, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Sie ihrem Schicksal überliefern, meinst du? Nachdem man sie so weit geritten hat, wie sie freiwillig nie gehen würden, sollen wir sie freilassen, damit sie sich durch die Schneewüsten durchschlagen oder sterben?«
    Simon wollte schon protestieren und einwenden, dass nicht er dafür verantwortlich wäre, fand es dann aber besser, einen Streit zu vermeiden.
    »Nein«, antwortete er stattdessen. »Nein, wir sollten sie nicht allein lassen, wenn das ihren Tod bedeutet.«
    »Außerdem«, fügte Haestan hinzu, der gerade mit einem Armvoll Holz an ihnen vorüberging, »wie sollten wir selbst dann durch die Wüsten zurückkommen?«
    »So ist es«, erwiderte Jiriki, dessen Grinsen breiter wurde; er war zufrieden. »Darum habe ich Ki’ushapo und Sijandi mitgebracht. Sie werden die Pferde versorgen und alles für meine … unsere Rückkehr vorbereiten.« Er legte die Spitzen seiner beiden Zeigefinger aneinander, als wollte er eine Art Abschluss andeuten. »Mit An’nai dagegen«, fuhr er fort, »ist es etwas schwieriger. Sein Grund, hier zu sein, ist meinem ähnlicher.« Er sah den anderen Sitha an.
    »Ehre«, erklärte An’nai und starrte auf seine gefalteten Hände. »Ich habe den Hikka Staj’a gefesselt – den Pfeilträger. Ich habe einem … heiligen Gast … nicht genügend Achtung erwiesen. Das werde ich wiedergutmachen.«
    »Eine kleine Schuld«, meinte Jiriki sanft, »verglichen mit meiner großen; aber An’nai tut, was er muss.«
    Simon hätte gern gewusst, ob An’nai diesen Entschluss selber gefasst oder Jiriki ihn auf irgendeine Weise gezwungen hatte, sich ihnen anzuschließen. Es war schwer, etwas über diese Sithi herauszufinden, darüber, wie sie dachten und was sie wollten. Sie waren so ungeheuer anders, so zurückhaltend und kompliziert!
    »Kommt jetzt her«, verkündete Binabik. Vor ihm flackerte eine dünne Flamme, der er mit den Händen Luft zufächelte. »Wir machen ein Feuer, und ich bin sicher, dass ihr alle nichts gegen ein paar Speisen und einen Schluck Wein zum Erwärmen eures Inneren einzuwenden habt!«
    Im Lauf der nächsten Tagesritte ließen sie den nördlichen Aldheorte hinter sich und stiegen vom letzten Ausläufer der Weldhelmberge in die flache, schneeverwehte Öde hinunter.
    Es war jetzt ständig kalt, jede lange Nacht, jeden trüben weißen Tag, bitter-beißend kalt. Ununterbrochen wehte Simon der Schnee ins Gesicht, stach in den Augen, brannte auf den Lippen, ließ sie aufspringen. Sein Gesicht war schmerzhaft gerötet, als hätte er es zu lange

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